Samstag, 30. Juli 2016

Ebro - Wissensfragen


Der Ebro ist ein großer Fluss, war mir zu wissen. Der Ebro ist ein kleiner Bach, sah ich. Aus dem Ebro wird nie ein großer Fluss, folgerte ich, auf den paar Kilometern zum Atlantik wird da nichts mehr draus, sagte mein gesunder Menschenverstand.


Derartige Wissensdiskrepanzen lassen mir keine Ruhe. Der Ebro ist der zweitgrößte Fluss der iberischen Halbinsel, sagte Wikipedia. Der Ebro fließt nämlich gar nicht in die nahe Biscaya sondern nimmt den langen Weg entlang der Pyrenäen bis ans Mittelmeer. Wieder etwas schlauer geworden dachte ich. Angetan von der Weisheit der Onlineenzyklpädie las ich weiter, dass die drei Ebro-Stauseen allessamt zwische Saragossa und Barcelona liegen und wie folgt heißen..... 


Moment mal? In diesen wundervollen Stause hier, der es von der Wassefläche her locker mit den größten deutschen Stauseen aufnehmen kann, fließt vorne der Ebro rein und hinten der Ebro raus. Auch ist er nicht erst seit gestern da sondern feiert nächstes Jahr seinen siebzigsten Geburtstag. Kann es wirklich sein, dass er mit keinem Wort bei Wikipedia erwähnt wird? Es kannn!


Egal ob es dieses Wasser nun gibt oder nicht, ich war spontan entschlossen es zu umrunden. Gar lieblich lag der See in der trockenen Hochebene, auf der Südseite von einer Schmalspurbahn flankiert, im Osten sehr flach und im Nordwesten an das cantabrische Skigebiet von Alto Campo grenzend. Nach Befragung des GPS-Orakels erschien mir der See umrundbar im Zeitrahmen von gut 3 Stunden. Am Ende wurden es dann doch vier, was eindeutig an der Schönheit der Landschaft lag.


Am Abend hatten wir das Glück, einen Spanier zu treffen der lange Jahre im spanischen Konsulat in Düsseldorf gearbeitet hatte und uns viel über den See und über Nordspanien erzählen konnte. Er diene der landwirtschaftlichen Wasserversorgung und die besten Forellen fange man dort, wo er als kleiner Junge einst gewohnt hat und wo heute nur noch der Kirchturm aus dem Wasser ragt.


Ridviehcher, Pferde, Ziegen, ganz im Osten einige wenige Kite-Surfer, im Süden eine überraschend kleine Staumauer, der See ist nicht tief, hat aber eine gigantische Ausdehnung. Bei strahlendem Sonnenschein und klarer Bergluft war die Rumrundung eine helle Freude. Das hügelige Gelände bot Anstiege die den Kreislauf auf Trab brachten, aber immer kurz genug waren, keinen Fluch ausstoßen zu müssen. Die Abfahrten boten ausreichende Erholungspausen. 


Nach erfolgreicher Rumrundung gab es die obligatorische Begrüßung durch den Pinscher und einen Kaffee. Duschen im Wohnmobil klappt derweil ganz gut und mit erstaunlich wenig Wasser. Wir entschlossen noch einen weiteren Tag am Embalse del Ebro zu  bleiben, an einem netten Platz den ich am Nachmittag gefunden hatte und ganz ungeachtet der Tatsache ob es ihn nun gibt oder nicht.


Montag, 25. Juli 2016

Senda del Oso - Bärenweg


Nachdem wir auf unserer Reise durch Nordspanien den westlichsten und den nördlichsten Punkt des Landes besucht hatten, uns ein paar Tage am Meer herumgetrieben haben und vor dem touristischen Einerlei wieder in die Berge Asturiens geflüchtet sind, juckte der Fahrraknochen. Elf Tage ohne Rad ist eine kleine Ewigkeit. Meiner Beobachtung nach sind spanische Autofahrer zwar sehr rücksichtsvoll im Umgang mit Radfahrern und häufig mahnen Schilder einen Mindestabstand von 1,5 m an (wäre toll wenn es das in Deutschland auch gäbe), jedoch war die Topografie bisher wenig reizvoll für einen Liegeradausflug und auf manchen Straßen hätte es mich als Radfahrer gegruselt unerwartet zu landen.


Schon zu Hause hatte ich kurz erkundet, dass es in den nordspanischen Bergen einige Bahnradtrassen auf stillgelegten Schmalspurbahnen geben soll. Nun hatte ich etwas genauer hingeschaut und stieß auf den Senda del Oso, den Bärenweg. Bär? Ja, in Asturien gibt es eine gesunde Population von 200 wilden Braunbären, die in der zerklüfteten Hochgebirgslandschaft ihre Heimat haben. Zwei Exemplare, die von Wilderern verletzt wurden, leben in einem Gehege an der Bahntrasse und sind eine Touristenattraktion. Gesehen habe ich sie nicht, sie hielten wohl gerade Mittagsschlaf als ich vorbei fuhr.


Von unserem Übernachtungsplatz an einem See in den Bergen fuhren wir talwärts auf einen Parkplatz, der als Einstiegspunkt für den Radweg gekennzeichnet war. Ausschilderung; eine üble Geschichte, wie ich im Laufe des Nachmittages noch feststellen sollte. Zwei mal verfehlte ich den vorgesehenen Weg und fuhr unbemerkt ein falsches Tal hinauf. Ärgerlich, zum einen fehlte an wirklich wichtigen Punkten ein Hinweis, zum anderen waren Schilder, Flyer, Karten, Wegbeschreibungen und auch Informationstafeln über Sehenswürdigkeiten ausschließlich in spanischer Sprache verfasst - doppeltärgerlich weil viele Projekte anscheinend von der EU finanziert wurden. Wenigstens eine englische Fassung hätte ich da erwartet.


Die Grandiosität der Landschaft fraß den Ärger. Ich fuhr mit vor staunen offenem Mund und musste immer wieder anhalten und schauen. Unzählige kleine Brücken und Tunnel durch tiefe Schluchten und an schwindelerregenden Hängen, unglaublich, dass hier einst Züge entlang fuhren. Anfangs war ich etwas skeptisch, ob ich die Anstiege mit Flachlandübersetzung und Straßenbereifung meistern könnte. Es ging zwar etwas ruppig zu auf der streckenweise holprigen Betonpiste, jedoch war es überhaupt keine Problem zügig an der Sonntagsnachmittagsmoutainbikefraktion zügig vorbei zu ziehen. Ich hatte den Eindruck viele wollten auch nur einmal ein Liegerad aus der Nähe sehen, das scheint wirklich seltener als Braunbären ich Asturien zu sein. Nach längerem Studium der Landkarte kam es mir vor ich sei falsch, der See, an dem wir übernachtet hatten wollte einfach nicht auftauchen, wie auch immer, er lag im Nachbartal. Also zurück, diesmal schnell über die Autopiste, und neuen Anlauf nehmen.


Na also, geht doch. An der Staumauer liegt ein Ausflugskaffee für Radfahrer, 500 m entfernt vom nächsten Parkplatz - undenkbar in Deutschland. Die Arbeitsgeschwindigkeit des Personals war erschreckend, bei näherem Hinsehen die gesamte Organisation der Gastronomie ein Graus. Qualität und Preis des Kaffees versöhnten jedoch schnell. Windelwechsel am Nebentisch - der Farbe nach zu urteilen Spinat.


Minenbahn, Minenmuseum zur Rechten, aufgeräumtes Areal, geschlossen, keine Erklärung, nicht mal auf spanisch. Schade, trotz Mine hatte ich offensichtlich wieder die falsche Taleinfahrt genommen. Auf einer breiten leeren Straße quälte ich mich noch ein bisschen den Hang hinauf, es sollte sich wenigstens lohnen, wenn ich das Fahrrad auspacke. Auf dem Rückweg untersuchte ich den Ort, wo ich den Irrweg eingeschlagen hatte genauestens auf einen Hinweis für die richtige Richtung - Pustekuchen, nix zu finden. Egal, schön war es trotzdem.


Hinab nahm ich wieder die gut ausgebaute Asphaltpiste. Fast hätte ich meinen Allzeitgeschwindigkeitsrekord gebrochen, leider bremste mich ein Looser mit silberfarbenem BMW kurz vor der Schallmauer aus. Nach nur 40 Minuten war ich wieder wohlbehalten im Tal und wurde von Frauchen, Hund und Kaffee am Wohnmobil empfangen. 






Donnerstag, 21. Juli 2016

Hommage an den besten Reisehund der Welt




Vielleicht ist es nicht der richtige Ausdruck, eine Hommage ist eine Huldigung an einen  Menschen, jedoch gibt es leider kein ähnliches Wort für einen Hund. Trotzdem wisst ihr jetzt sicherlich was ich meine - ich möchte dem weltbesten Reisehund Ehre erbieten. 


Wenn ich mich nicht verzählt habe, hat das kleine Kerlchen uns schon in 21 Länder begleitet. Gerade heute noch wurde uns bewusst, Verständigungsprobleme gab es nie. Hundisch ist hundisch, weltweit. Im Taxi nach Tirana - unseren alten Mercedes hat er geliebt (bei 40 Grad mussten wir ihn jedoch in feuchte Tücher wickeln damit er überlebt), auf unserer Radtour rund um Estland das Rudel zusammen halten (eine wirklich schwierige Pinscheraufgabe), mit dem Wohnmobil am Nordkap (abends in seine Decke gemummelt), in schwindelerregenden Höhen entlang der Levadas auf Madeira (ich kann nicht hinsehen, aber Hunde stürzen nicht ab, Hunde können das), auf den heißen Lavafeldern von La Palma und nun am westlichen Ende der Welt in Spanien, immer war er dabei, immer war es eine Bereicherung.


Wir mussten alle viel lernen, im Flieger geht es in die Tasche und Ruh ist, im Auto wird nicht geturnt, Radfahren ist seine Naturbegabung und im Zug sagen die Leute im Abteil beim Aussteigen oft:"Ach sie haben einen Hund dabei, den haben wir ja gar nicht bemerkt!" Im Restaurant liegt man unter dem Tisch und bettelt nicht (beim hinausgehen gibt es dann aber ein dickes Leckerli) usw usw....


Die meisten Dinge gestalteten sich deutlich einfacher als befürchtet. Ein kleiner Hund, und gerade ein kleiner Hund der aussieht wie ein Mini-Dobermann geht öfter mal noch durch, wo andere draußen bleiben müssen. Was überhaupt nicht geht ist: Der Hund kommt nicht ins Bett! (da war er schon immer) und: Der Hund darf nicht in den Frühstücksraum, wir passen solange auf ihn auf! (schweißgebadeter Kellner mit der Bitte doch schnell den Hund abzuholen). Tasche klappt wunderbar, ansonsten müssen wir leider auf die Lokalität verzichten. 


Sorgen macht uns der kleine Reisemeister nun aber doch in letzter Zeit. Seine schlechte Stimmung konnten wir medikamentös etwas aufhellen, den kaputten Rücken bekommt man wohl nicht mehr heil. Manchmal denke ich, ich habe ihn etwas überfordert in seinem bisherigen Leben - aber wer will das schon sagen, schließlich hatten wir eine Heidenspaß. In Zukunft werden wir wohl etwas gemächlicher heran gehen müssen. Auf lange Radtouren, kaltes nasses Wetter und anstrengende Wanderungen müssen wir in Zukunft verzichten. Noch heute jedoch, als er einen kleinen Hügel nicht hinauf kam, weil die Hinterläufe einmal wieder den Dienst quittierten, kam mir der Gedanke an ein Babytragetuch - gleich zu Hause werde ich der Idee weiter nachgehen, auf dass wir noch viele spannende Reisen gemeinsam erleben können.








Sonntag, 10. Juli 2016

Marathon allein



Geölt, geputzt, bremsen eingestellt, Schaltung repariert, gepackt, Wecker auf halb sechs. Kaffee, Pinscher pipi, Kaffee, zwei Bananen, 10 Müsliriegel, zwei Flaschen Wasser, der neue Mantel in der Hand gedreht und gewendet, braucht nicht, die Sonnenmilch auch nicht - und los. 


Rhythmisches Zischen nach vier Kilometern, Plattfuß vorne, der dritte in einer Woche. Eine ordentliche Kerbe, hatte ich nicht eben noch den Mantel in der Hand gehabt? Offenbar steckt nichts mehr drin. Um noch rechtzeitig zur Anmeldung für den Marathon rund um Hamburg zu kommen gibt es noch genau eine Chance: Pannenspray. Pannenspray funktioniert nie, aber man gewinnt ja auch nie im Lotto. Drauf geschraubt, mit dem Daumen das Ventil geöffnet, Schaumparty! Ich hasse es, weil es klebt und weil ich gerne mitgefahren währe. 


Also nun doch flicken. Der Schaumschläger fliegt über den nächsten Zaun, so viel Wut muss sein, bisschen Luft rein und nach Hause rollen um den Mantel zu wechseln und einen neuen Reserveschlauch einzustecken. Am Kreisverkehr in Altengamme könnte ich noch hinzu stoßen. Ich würde mich beeilen müssen. Ich beeilte mich nicht, ich genoss den mal mehr, mal weniger blauen Himmel, den Deich, die Elbe und die Schafe. 


Die Ersten schossen um den Kreisverkehr Richtung Geesthachter Schleuse, einige erkundigten sich ob ich eine Panne habe, weil ich rumstand und auf einer Banane kaute. Jetzt, wo ich so drüber nachdachte, verging so langsam die Lust. Man kann doch so einen Marathon auch alleine fahren. Ich schwang mich wieder aufs Rad, ruckelte durch eine Baustelle, beeilte mich über die Elbbrücke weil ich einen Pulk im Nacken hatte, den ich nicht ausbremsen wollte und bog Richtung Osten,elbaufwärts ,ab, während der Rest der Meute geradeaus fuhr. Am Verspflegungsstand schmarotzen ohne Startgebühr gezahlt zu haben ist doof, dachte ich mir und überhaupt? Dann viel mir plötzlich die Bäckerei in Hitzacker ein, wo es vergangenen Herbst so leckeren Kuchen gab. Hitzacker? 100+ Kilometer, ein Stück Kuchen und dann wieder zurück. Na also - dann hab  ich doch meinen Marathon.


Der Elbradweg ist, wie ich immer wieder erwähnen muss, grandios. Breit, glatt, geradeaus. Himmel, Felder, Wasser und ganz viel Nichts. Bei Rückenwind flog ich dahin, 20, 30, 40 km/h und mit etwas Anstrengung auch fast 50. Die ersten 100 km schaffte ich trotz Panne und anfänglichem Stadtverkehr in gut dreieinhalb Stunden. Da stellt sich ein gewisses Rauschgefühl ein. Zu wissen, welche Elbseite man befahren muss, ist durchaus von Vorteil. Drei Seitenwechsel sind bis Hitzacker nötig. Die Fährfrau in Personalunion mit Kassiererin in Bleckede hat lila Haare. Aha, jetzt ist es also hier angekommen, dachte ich belustigt. 


Das muss ja furchtbar anstrengend sein, meinte eine Mitfahrerin beim Elbseitenwechsel auf mein Rad deutend. Ich guckte aufs Wasser und nickte, mir war nicht nach Erklärungen zu Mute. Der Fähremann in Hitzacker nahm den Doppelten Preis. Als ich das leicht spöttelnd erwähnte, schnippte er etwas von Subventionen die er nicht bekomme zurück. Ist ja gut - so ernst war es nicht gemeint, für den Preis kann man keinesfalls rüber schwimmen. In Hitzacker tobt mäßiger Tourismus. Die lärmende zweirädrige Gilde ist jedenfalls auch schon da. Am Nebentisch unterhalten sich zwei Herrn in schwarzer Lederkluft, wo man nun schon allüberall nicht mehr hin fahren dürfe und unerwünscht sei. Ein Spatz hatte sich derweil auf meinem Tellerrand nieder gelassen und teilte den Kuchen mit mir. 


Steil bergauf geht es in Hitzacker, naja, für norddeutsche Verhältnisse halt. Ich habe die Übersetztug der Schaltung offenbar richtig ausgewält. Durch das nördliche Wendland in die Ostheide geht es weiter Richtung Lüneburg. In Dalenburg genehmige ich mir zwei neue Flaschen Wasser an der Tanke und einen Minutenschlaf auf einer ruhigen Parkbank. Danach bin ich meistens wieder fit - heute jedoch geht die Rechnung nicht ganz auf. Nasenrücken und Unterlippe sind mittlerweile verbrannt, die Sonne schien heute doch etwas mehr als erwartet. 


Elbeseitenkanal, Lüneburg, Lüneburgs Radwege sind eine Qual mit diesem Fahrrad. Ich muss mich langsam daran gewöhnen, dass ich jetzt Rennrad fahre. Da geht nicht mehr jedes Gelände und die Aufmerksamkeit muss ich gefühlt verdoppeln um nicht auf dem Hosenboden zu landen. Winsen, Hoopte, Zollenspieker, Fähre, Kaffee - etwas gelangweilt schaue ich der motorisierten Zweiradfraktion bei der Balz zu. Spannender ist da schon dieses gestylte Pärchen, sie, blass, schmal,  auf einem dreigang Hollandrad, er, gebräunt, muskelbepackt mit Badelatschen auf einem Baumarktmoutainbike. Sie fährt den Deich hoch, er steigt auf halber Höhe ab und schiebt. Das Dixiklo stinkt, die Kühlaggregate rattern, jemand schiebt mein Rad zur Seite, weil es im Weg steht - ein possierlicher Ort. Noch 30 Kilometer bis zu Hause. So richtig kann ich mich nicht mehr motivieren, es wird zäh, aber wenn ich auf den Tacho schaue wird mir klar, dass ich auch jetzt noch jedes E-Bike stehen lassen würde. 


Nudeln, viel Nudeln und noch eine Portion Nudeln. Wasser, ganz viel Wasser hinterher. Ich bin seltsam teilnahmslos, das verwirrt mich ein wenig. Ein heißes Bad für die Muskeln und gegen die Salzkruste, vielleicht sollte ich mir eingestehen, dass ich eben einen Marathon gefahren bin, deulich unter der erlaubten Zeit und nun richtig müde sein darf. Morgen ist ein neuer Tag und die nächste Radtour schon geplant.