Montag, 31. August 2015

Wenn der Sommer fertig hat...

...wenn er nichts mehr beweisen muss und trotzdem an einem 31. August mit mehr als 30°C protzt, dann ist das ein unmissverständlicher Aufruf, das Haus zu verlassen und in die Ferne zu ziehen. Solch eine Gelegenheit darf man sich doch nicht entgehen lassen, und so fern muss die Ferne ja auch nicht sein.


Vor dem Vergnügen stand heute noch etwas Arbeit. "Never change a running system" gilt wohl auch für Fahrräder, und ganz besonders für Liegeräder. Der Versuch, den Sitz tiefer und auch flacher zu legen war an der Fahrzeuggeometrie gescheitert. Zwar wäre ich auf diese Weise etwas windschlüpfriger geworden weil die Stirnfläche kleiner gewesen wäre, jedoch wäre auch meine gesamte Sitzposition nach vorne gerückt. Nun neigte das Fahrzeug, zumindest gefühlt, bei einer scharfen Bremsung vornüber zu kippen. Also das ganze Retoure. Lediglich zwei Änderungen habe ich nun beibehalten. Ich habe den Lenker gegen ein sehr viel ein schmales gerades Modell getauscht und den Pinscher um 5 cm angehoben. Nun kann er mühelos beim Fahren über meine Schulter schauen und muss sich nicht mehr verrenken. Er ist jetzt auf Augenhöhe sozusagen. "Ach sieht das gemütlich aus, dürfen wir das mal Fotografieren?" wurde ich auch prompt am Bahnhof in Lüneburg gefragt. Wenn es sonst nicht ist, warum nicht. 


So wie der Sommer nichts mehr beweisen muss, können ach wir nun ganz entspannt dahin gleiten. Der Ilmenau entlang, mal auf dem Deich mal vor dem Deich, wie es gerade kommt. An der Fähre in Hoopte gibt es die obligatorische Kaffeepause. Schön schauts aus an der Elbe - der Tidefluss hat Hochwasser und die Fähre hat einen weiten Weg. Wieso eigentlich die Fahre nehmen? Bei diesem Königswetter bietet es sich doch an noch etwas drauf zu packen und bis Zur Brücke nach Geesthacht zu fahren.Wir genießen den Blick auf den Strom. Wer Liegeräder seltsam findet, der sollte sich mal ein Ruderrad anschauen. Kurz vor Drage "paddelte" mir eine junge Frau mit einem dunkelblauen Modell auf dem Deich entgegen solch einen Anblick hat man selten. "Hey cool man---go alter....hast du das gesehen, der Hund da......" schallt es aus einer Jugendgruppe die offensichtlich an der Elbeschleuse in Geesthacht freigelassen wurde. Welch ein wundervoller Strom...



Zeit den Heimweg anzutreten. 35 Kilometer sind es von hier aus noch bis ins heimatliche St. Georg. Die Wege sind bekannt, der Pinscher späht über meine linke Schulter und leckt mir manchmal über den Nacken während wir dahin gleiten. 25°C zeigt das Thermometer als wir auf den Hof rollen. Warum kann nicht immer Sommer sein?



Donnerstag, 27. August 2015

Teufelsmoor




Das Projekt: "kleine Pinscher erkundet die große Welt alleine" darf man als gescheitert ansehen. Wir haben uns für die Zukunft wieder auf ein gemeinsames Vorgehen geeinigt und wollten am Wochenende gleich einsteigen. Freitag, 30° C, Badewetter - Ostsee. Wie es immer so ist, hat man noch etwas anderes zu tun bevor man starten kann und so verzögerte sich die Ankunft am kühlen Nass auf eine bereits kühle Stunde. Das Wetter sollte noch eine weile kuschelig bleiben und so saß ich zur Abenddämmerung auf der Hermansshöhe und sann über die nächsten Tage nach. Warum keine zweitägige Tour? Ich fingerte einen Zettel aus meinem Portemonnaie - putzig, dreistellige Telefonnummer, plattes Land und schön solle es dort sein. Ja, ein Zimmer sei wohl noch frei. Was? Nein, Hund gehe nicht, überhaupt nicht. Plan B: "Meine Kollegin war am Wochenende mit einer kleinen Radlergruppe bei Ihnen, die hat sooooo gebschwärmt und bei Ihnen sei es so schön....und überhaupt, dieser Hund ist ja gar kein echter Hund, das ist eher eine habe Katze, so von den Proportionen, und nein Haaren tut der nie, ich habe noch nie ein Haar gefunden". Schweigen im Walde. "Da muss ich erst mal meine Frau fragen, kann ich sie zurück rufen?" Siegesgewiss lehnte ich mich auf meiner Bank zurück und ließ Augen und Gedanken in die Ferne schweifen.






Alleine aufbrechen hat etwas besonderes. Das Magnetfeld des trauten Zuhauses will überwunden werden. Man hat niemanden, mit dem man das kommende Erleben teilen darf, aber man kann seinen ganz eigenen Rhythmus leben. Nun, so ganz alleine war ich ja nicht, ein Pinscher ist ein prima Reisebegleiter. Noch gemütlich frühstücken und dann los. Erst mal mit der S-Bahn für kleines Geld an den südwestlichen Stadtrand. Klein war auch das Gepäck - ich hatte den Ehrgeiz mit einer einzigen Packtasche auszukommen. Von meinen neuen Klickpedalen war ich begeistert. Die alten, gekauft im Frühling, hatten einen Lagerschaden. Billig kaufen heißt zweimal kaufen, musste ich mir wieder einmal eingestehen. Mutig war ich jetzt auch auf beidseitige Klickpedale umgestiegen, das Liegerad fahre ich eigentlich nie ohne Fahrradschuhe. Eine feste Verbindung zwischen Fuß und Pedal - gefährlicher Blödsinn habe ich 15 Jahre lang gedacht. Das denkt man allerdings nur genau so lange, wie man es nicht ausprobiert hat. 


So waren wir also wieder unterwegs, der Pinscher und ich - endlich wieder auf kleiner großer Tour. Einmal den Höhenrücken hinter Harburg überwunden geht es flux durch den südlichen Hamburger Speckgürtel. Bilderbuchreife Niedersachsendörfer mit alten Fachwerkhöfen und kleinen und großen Villen dazwischen. Die Menschen mähen Rasen, schneiden Hecken, zupfen Unkraut, schleppen Einkaufstüten, waschen Autos und schlimmstenfalls rücken sie mit einem Kärscher den Gehwegplatten vor dem Haus zu Leibe. Sind die Samstags Abends wirklich glücklich mit ihren gekärscherten Gehwegplatten und dem geputzten Auto? Jeden Samstag? Die besten Jahre ihres Lebens? Welch eine gigantisch kumulierte Zeitverschwendung.  Ich möchte sehen, hören, riechen (mit Sicherheit kein Gemähtesrasenzweitacktgemisch), mich (fort)bewegen und Ausstrahlung von Orten fühlen. Meine "Lage im Raum" ausloten - kann man das auch mit einem Gartenschlauch in der Hand? Fragen über Fragen, die erst aus dem Kopf wichen, als ich mich mit dem Vorderrad in einem Sandhaufen festgefahren hatte. Da dort begann das Fluchen. Ja ich wusste es, aber ich hatte es verdrängt. Fernradweg Hamburg-Bremen, Europaradweg 3, Osteradweg und Melkhusroute hier gebündelt in einem Sandhaufen. Hat diesen Fahrradroutenerfindern denn niemand erzählt (dass sie selbst je auf einem Fahrrad gesessen haben möchte ich einmal ausschließen), dass man auf losem Sand nicht Fahrrad fahren kann? Das so etwas unangenehm bis lebensgefährlich ist? Nach zwei Kilometer fluchend bepacktes Fahrrad schieben erschien das nun folgende Kopfsteinpflaster fast wie eine Erlösung. 


Nein - war jetzt nicht alles doof. Die Osteniederung ist lieblich, immer wieder schöne Blicke auf den noch jungen Fluss. Wälder und Felder wechselten sich ab und ein kleiner Höhepunkt war (einmal mehr ) die Einkehr im Landfrauen-Café Eitzmühlen. Die Dinkel-Preiselbeertorte dort ist, bescheiden ausgedrückt, großartig. 

Mein Kollegin hatte recht. Es war schön, furchtbar schön dort. Rasen gemäht, Hecke geschnitten, Gehweg gekärschert, kleiner Springbrunnen, Geranien draußen, Kunstblumen drinnen und an den Wänden erbauende Sprüche. Ich wurde freundlich vom Herren des Hauses begrüßt. Joschi wurde weniger freundlich von der herrlichen Katze des Hauses begrüßt. Mein verstaubtes Fahrrad durfte ich hinter dem frisch geputzten Deutz, Baujahr 64, parken. Der Motor war noch warm und es waren gerade neue Reifen aufgezogen. Essen könne man im Grünen Jäger, aber nur ohne Hund oder draußen, die Wirtin habe eine Hundeallergie. Ich richtete mich in der kleinen plastikblumenfreien Dachgeschoßwohung ein, warf alles stinkende und staubige von mir und duschte ausgiebig. Zum nachtrocknen legte ich mich aufs Bett und mühte mich um Verbindung zur Welt. E-Netz, D-Netz, Telefon, Internet, W-Lan, alles Fehlanzeige. So war es dann nun, ein ganz neues Lebensgefühl, wie lange hatte ich das nicht mehr erlebt? Das Schnitzel im "Grünen Jäger" erschien mir klein - tatsächlich jedoch war der Teller sehr groß. Der Kellner duzte gnadenlos, es war mir etwas unangenehm, aber ich wollt nicht auffallen und duzte freundlich zurück. Am Nebentisch instruierte ein Patriarch seine neu erworbenen rumänischen Arbeitstiere. Dabei ließ er es nicht an gutem Essen, jovialen Sprüchen, Alltagssexismus und Schnaps fehlen und nein, das sie alles nicht giftig sondern nur aus Stein. Ab und an fuhr auf der Straße eine moderne Landmaschine im Terminator-Look vorbei, deren Funktion sich meiner Vorstellungskraft meist entzog. Noch ein Pott Kaffee. "Nein, den Schnaps aufs Haus darfst Du selbst trinken, vielen Dank". Ich schlenderte mit Joschi noch einmal kurz an die Oste, Gehgeschwindigkeit bewusst an den Hund angepasst, dann durchs Dorf hinauf zu meiner Unterkunft. Welch ohrenbetäubende Ruhe, zweieinviertel Seiten Andreas Altmann auf meinem E-Buch und mir fehlt jede weitere Erinnerung. 


Frühstück neben dem Waffenschrank, wieder ein neues Erlebnis. Es gab alles, alles im Überfluss. Ich ließ mir mit jedem Bissen Zeit, unendlich viel Zeit. Zufällig fielen kleine Stückchen Lachs dem Pinscher vor die Füße, aber er beschwerte sich nicht. Gemütlich packen, herzlich verabschieden. Ich darf wiederkommen mit meinem kleinen Hund. Nach wenigen Kilometern Richtung Osten erreichte ich das Teufelsmoor. Wie der Name vermuten lässt,  eine einst ungastliche Gegend, die erst seit gut 200 Jahren besiedelt ist. Ich glitt dahin, im Schatten war schon Herbst, bei Sonnenschein noch Sommer. Ich hatte Freude an den Temperaturgegensätzen.  Am Oste-Hamme-Kanal legte ich eine Rast ein. Dieser in der Sohle 4 m breite und 90 cm Tiefe künstliche Wasserlauf war, mit Klappstauen versehen, die erste schiffbare Verbindung zwischen Elbe und Weser. Der Kanal diente desweiteren der Entwässerung des Moores. Auf Torfkähnen wurde gestochener Torf als Heizmaterial nach Bremen gebracht. Die Torfschicht im Moor hat eine Dicke von bis zu 20m. Einst trocken gelegt, versucht man heute die durch Entwässerung und Torfabbau fast verschwundene Naturlandschaft zu rekonstruieren. Nachdem eine krakeelende Gruppe Wandervögel weiter gezogen war, ließen wir uns zu eine weitere kleine Pause am Ufer der Hamme nieder. 


Worpswede, die "Teufelsmoorhauptstadt", ist für Kunstinteressierte immer eine Reise wert. Gut zwei Dutzend namhafter Künstler haben sich bei ihrem Schaffen in den vergangenen drei Jahrhunderten vom Teufelsmoor inspirieren lassen. So ist Worpswede ein lohnender Tourismusmagnet, bei dessen Genuss ich mich jedoch an diesem sonntäglichen Mittag auf Architektur to go (oder to roll) beschränkte. Zu viel Volk unterwegs. Das ließe sich aber mühelos steigern. Auch das Teufelsmoor hat seinen Ballermann - genannt "Neu-Helgoland". Blechlawine, Campingplatz, Naturfreibad in der Hamme, Ausflugsdampfer, Kutscher, Paddler, Reiter, Wurstbuden, Bierbäuche, Kinderkrähen - das gesamte Paket Sonntagnachmittagfamilenwonne auf einem einzigen Hektar. Slalom, klingeln, nichts wie weg da und nur ein paar Hundert Meter weiter hat uns die Ruhe wieder. 


In der kleinen Kreisstadt Osterholz gab´s Kaffee und Kuchen auf dem Markplatz. Der Pinscher räkelte sich in der Sonne. Seit seinem Verschwinden zieht er weitere Kreise, liegt auch gerne einmal demonstrativ 20m entfernt. Ich glaube da sollten wir noch einmal dran arbeiten. Hamme und Wümme folgend erreichte ich ein Stündchen später die Hansestadt Bremen. Das der Metronom 10 Minuten Verspätung hatte passte gerade prima. Das ich keine Fahrkarte für das Fahrrad hatte, ließ sich von der Schaffnerin auf meinem Online-Ticket nicht zweifelsfrei nachweisen In dubio pro reo - darauf hatte ich auch vertraut, als ich mich in die Abgründe des Bahnkartenkaufs stürzte. Konsequentes Beineausstrecken beim sonntäglichen Tatort und dabei Nudeln mit Pesto futtern war die Abendbeschäftigung - es ist ja nicht verboten, dabei schon einmal über das nächste Wochenende nachzudenken. 








Dienstag, 18. August 2015

Happy End



68 Stunden hat er uns in Atem gehalten, der kleine Zwerg, 68 Stunden haben wir uns gefragt wo er steckt und was wohl in seinem Köpfchen vorgegangen sein mag. Nun ist er wieder heil in Hamburg und schnorchelt an seinem Lieblingsplatz.

Montag gegen 15 Uhr kam der erlösende Anruf: "Joschi ist gefunden!" Ein freundlicher Mensch aus Brandenburg hatte den vermeidlichen kleine Fuchs in einer Kirschplantage entdeckt. Das es dann wohl doch kein Fuchs war, hatte er schnell herausgefunden, weniger schnell ging es dann mit dem Einfangen voran. Schüchtern wie er nun mal ist, entwischte das Kerlchen immer wieder. Die zündende Idee war dann, einfach mal die Autotür auf zu machen. Hunger, Durst, Nässe und bestimmt auch eine Portion Verzweiflung und Heimweh bewogen ihn ins Fahrzeug zu springen. In diesem speziellen Fall eine großartige Idee, wie ich finde. Beim Tierarzt wurden sofort die nötigsten Maßnahmen ergriffen, ihn wieder auf die Pfoten zu bekommen. 

Ich hatte nur schnell ein paar Sachen gepackt und bin dann gleich wieder Richtung Berlin aufgebrochen. Gestern abend gegen 21:00 Uhr ist er mir dann fröhlich auf den Arm gehüpft und alles war gut. Ein bisschen durch den Wind ist er sicherlich immer noch und er wirkt auch gerade furchtbar anhänglich, aber wer will ihm das verdenken nach dieser Odysee. 

Ich bedanke mich noch einmal bei allen die irgendwie geholfen haben, und sei es nur durch Däumchen drücken oder durch hilfreiche Tipps. Ganz besondern Dank gilt natürlich dem Finder. 




Samstag, 15. August 2015

Joschi ist weggelaufen.....



Wir sind gerade tottraurig darüber, dass unser Joschi sich alleine auf gemacht hat, die Welt zu erkunden. Gestern Mittag haben wir noch gemeinsam einen längeren Spaziergang von Bliesendorf zum Spargel- und Erlebnishof in Kleistow (Kreis Potsdam-Mittelmark / Stadt Werder) gemacht. Danach haben wir ihn mit seiner Freundin Lutzi auf einen eingezäunten Grundstück zurück gelassen. Das hatten wir schon öfter gemacht und wir hätten nie damit gerechnet, dass er ausbüchst. Als wir gegen 19.00 Uhr zurück kamen, war Joschi verschwunden. Wir haben dann bis zum Einbruch der Dunkelheit gesucht - leider erfolglos. 






Da er sehr an mir hängt, sich aber in der Gegend kaum auskennt, vermuten wir, dass er mich auf der zuletzt gegangenen Strecke sucht.

Noch einmal kurz der Steckbrief:

Rasse: Zwergpinscher
Farbe: Rehbraun
Alter: 9 Jahre
Gewicht: 4,1 kg

Joschi trug kein Halsband, er hat einen tschechischen Hundechip links im Nacken, im rechten Ohr ist ein dunkler Fleck und eine der Krallen rechts hinten ist vor ein paar Wochen abgebrochen und wächst derzeit rosa farben nach.

Es gäbe gerade nichts schöneres im Leben, als Joschi wieder zu finden.

Montag, 10. August 2015

Nach Mittelerde


Nun gut, ganz so weit, wie in den Geschichten der tolkinschen Romane ging es bei unserer Reise nicht hinunter, aber immerhin zum tiefsten Landpunkt Deutschlands. Die höchste Stelle der Republik, die Zugspitze, kennt wohl ein jeder, und mach einer ist wohl auch schon dort gewesen. Aber wo ist der Antipol? Wo ist es am tiefsten in Deutschland. Der Sache wollten wir einmal auf den Grund gehen. 





In Schleswig-Holstein, im Kreis Steinburg, im Amt Wilstermarsch, in der Gemeinde Neuendorf-Sachsenbande, an einem kleinen Parkplatz mit Dixi-Klo, links der Landstraße 135 wird man fündig. 3 Meter und 54 cm unter dem Meeresspiegel liegt dieser Ort, tief genug, um auch bei Ebbe noch auf den Zehenspitzen nach Luft japsen zu müssen, wenn da nicht die Deiche wären. 


Um es gleich zu sagen, der Tag war eigentlich fürn A....! Eine Äußerung die bei mir selten vor kommt, den allermeisten Tagen kann ich doch irgendwie am Ende noch etwas gutes abgewinne, bei diesem hier fällt es mir jedoch schwer. Rechtzeitig aufgestanden und trotzdem zu spät. Die Kaffeemilch sauer, das auf dem Weg gekaufte Franzbrötchen zu trocken. Müsliriegel vergessen was soll´s ich sitze in der Bahn. Der Typ mir gegenüber auch - wenn er nicht gerade nach vorne kippt und mir aufs Knie sabbert. Seine bessere Hälfte ist weniger durch den Wind und noch in der Lage, ihm in irgend einer osteuropäischen Sprache den Marsch zu blasen und gleichzeitig besorgt den Mund abzutupfen. Neun Menschen am Startpunkt in Wedel, kein bekanntes Gesicht. "Einkehren tun wir heute nicht" - so die Ansage - schade, das ich  nicht zum Frühstücken kam. Das diffus ungute Gefühl, das ich bei dieser Gruppe hatte bestätigte sich schnell. Einer pfiff Frauen am Wegesrand hinterher, ein anderer nervte durch das betätigen einer selbstgebastelten elektronischen Fahrradhupe, bei jeder Gelegenheit die sich dazu bot und auch gerne mal ohne jegliche erkennbare Gelegenheit. Die Dame im Feld meinte spitz, der Pinscher könne auch mal ein Tor aufhalten - lustige Idee, beim Liegerad muss man zu dieser akrobatischen Einlage komplett absteigen. 


Zur Erläuterung: Der weg führte über 50 Kilometer dem Elbdeich entlang und gefühlt gab es mindestens zwei Schafgatter mit selbstschließenden Tordurchläßen pro Deichkilometer. Neben diesen unbequemen Hindernissen erschwerte Schafscheiße in allen Aggregatzuständen das Vorankommen und natürlich die putzigen weißen Deichbewohner selbst auch. Die Dame verloren wir in Glückstadt - ich fand den Verlust erträglich. Der Schotterplatz bei Mittelerde war nach meinem empfinden etwas lieblos. Eine Hütte mit Gipfelbuch, wie schon erwähnt, ein Dixi-Klo, ein Artesicher Brunnen (kein Trinkwasser) und kein Müllbehälter. Wohin mit der Bananenschale, dem verrotzten Tempotuch. Man könne seinen Müll auch wieder mit nach Hause nehmen! Darüber kam es zum Streit mit einem Mitreisenden. Ich will allen Müll aber nicht immer und überall mit nach Hause nehmen und fand die Kommune drückt sich vor ihrer öffentlichen Aufgabe. Da krieg ich einen dicken Hals - genau wie diese Schilder "Radwegschäden!" die prophylaktisch aufgestellt werden, und dann dort stehen bis sie wegrosten...da könnte ich ja....HA! 


Durst und Hunger - die Gruppe entschloss sich zur Einkehr. Es gab nichts zum Einkehren. Der Zug in Itzehoe würde in 9 Minuten fahren. Schlange vor dem Fahrkartenautomaten zu wenig Zeit für alle, eine Karte zu ziehen. Ich tat kund, mir selbst eine zu besorgen, über meine Handy-APP. Der Zug wäre in 9 Minuten gefahren, wenn Oktober gewesen wäre. Der tatsächlich nächste Zug fuhr knapp eine Stunde später, er kam von Westerland aber im inneren herrschten indische Verhältnisse. Selbst der Pinscher war genervt. Verständlich, bei solch erotisch engen Platzverhältnissen benutzte ich ihn gerne einmal als "Eisbrecher". Altona - Endstation....eine Masse adäquat der Bewohnerschaft einer Kleinstadt verlässt den Zug. Ohne Eile fahren wir durch die Große Bergstraße, den Wohlers Park, zum Grünen Jäger, rüber zum Fernsehturm und am Tiergarten hinab zum Dammtor und dann an die Alster. Ein Hauch guter Laune ereilt mich. 


Freitag, 7. August 2015

Alles Bremen oder was?



Nach Kultur, Natur und Freikörperkultur am Wochenende war mir nach Bewegung - viel Bewegung. Von Bremervörde über Bremerhaven in die Hansestadt Bremen sollte unsere Tour gehen. Die Bahnanbindung mit der S-Bahn über Buxtehude und weiter mit der EVB nach Bremervörde ist gut, und montags Morgens sind die Züge leer. So war der Start in den Tag erfreulich unproblematisch und auch der Pinscher war guter Dinge. Ihr Sohn käme auch immer mit dem Fahrrad, verriet die für unser Frühstück zuständige Bäckersfrau - nun denn.


Die Gegend zwischen Bremervörde und Bremerhafen zeichnet sich durch nichts aus - jedenfalls nichts, dass man unbedingt erwähnen müsste. Buchenwald, Schatten spendender Buchenwald, Felder, es ist Erntezeit und ich hatte Muße die Halbwertzeit der von Mähdrescher auf Schotterstraßen aufgewirbelten Staubwolken zu ergründen, während der Pinscher auf einem mitgebrachten Pansenröllchen kaute. Von Osten herein kommend wirkt Bremerhaven wie eine der kleinen Ruhrgebietsstädte. Arbeitersiedlungen hier und dort - auch der Hafen braucht(e) viele Arbeiter. 

"Ich habe sie gar nicht gesehen, öhm Schwarzwaldbecher ist aus", entschuldigte sich die Kellnerin im Café am Fischmarkt. "Macht überhaupt nichts, hier ist es wunderschön, und hätten sie wohl noch etwas Wasser für den Hund?" Der Pinscher lag im Schatten und ich genoss einen riesigen Joghurtbecher und einen Cappuccino während mein Blick über das beschauliche Hafentreiben schweifte. 


Schnurgrade führte die Straße an den riesigen Werkshallen der Offshore Windindustrie vorbei. Weiter südlich, auf der Luneplatte, gegeüber von Nordenhamm gibt es Gegend mit Augenweide. Auf dem kahlen Deich stehend kann man das Nichts so richtig genießen. Die Krähen gähnten (meine Oma behauptete immer, sie würden das tun, wenn es sehr heiß ist, gesehen hatte ich das bisher noch nie) und die Deichschafte hechelten und drängten sich eng aneinander. Was vor Kälte schützt, schützt wohl auch vor Hitze. 45° Grad zeigt mein Termometer, der Fahrwind trocknet den Schweiß sofort, man brät und dörrt aus. Selbst dem Pinscher ist das zu viel des Guten. 


Wie eine Erscheinung taucht Valentin auf, ein U-Boot-Werftbunker aus dem II. Weltkrieg, ein Betonklotz mit den gigantischen Abmessungen von 400x100x30m und an Häßlichkeit kaum zu überbieten. An diesem Tag hate der Bunker jedoch eine famose Eigenschaft, die heiße Luft wurde auf der Westseite angesaugt, zog über die 400m lange kalte Wasserfläche im Inneren und wurde durch den Schlund auf der Ostseite kalt auf den Deich hinaus gepustet. Dieses eiskalte Vergnügen genoßen wir eine ganze Weile.


Bremen ist ein Fahrradparadies, jedenfalls wenn man aus Hamburg kommt. Eigentlich ist fast jede Stadt ein Fahrradparasies, wenn man aus Hamburg kommt, überwiegend breite Radwege, fern des motorisierten Verkehrs, das nimmt man gerne an. Ich folgte dem wundervollen Weg auf dem Deich entlang der Lesum Richtung Südwesten und fuhr dann durch den Bürgerpark direkt zum Hauptbahnhof. Im Zug erst mal ordenlich Flüssigkeit tanken und nein Pansenröllchen für den geschafften Pinscher. Pansenröllchen gehen immer, auch bei völliger Ermattung.