Montag, 21. November 2016

Spätherbst


Es wird Sätherbst. Auch im Leben des Pinschers war plötzlich der Herbst da. Die Schnauze grau, die Sinne schwächer, weniger Hunger, weniger Freude, viel Schmerzen - viel zu früh. Der Gedanke stieg in mir auf, dass wir vielleicht nur noch Wochen oder Monate haben, nicht mehr Jahre. 

Es ist schwer nach Hause zu kommen, den vollen Napf zu sehen, nicht gegrüßt zu werden und zu wissen, er würde sicherlich gerne, aber er schafft es nicht mehr. Auch die dringend nötigen Schmerztabletten sind nur noch mit sanftem Zwang und viel Geduld zu verabreichen. Anderen Hunden gehen wir aus dem Weg, das währe uns früher niemals eingefallen, spielen mach keine Freude. Manchmal steht er in einer Ecke und weiß nicht mehr was er eigentlich wollte - Demenz? manchmal geht es gar nicht mehr, Lähmumng, Schmerzensschreie, viel Angst. 

Leider fährt kein Blitz vom Himmel und macht dem ein Ende. Ich fühle mich in der Verantwortung und es ist schwer. Es ist sehr schwer über leben oder nicht leben eines alten Freundes zu entscheiden und ich dachte es sei noch so lange hin - dabei war es heimlich schon zum alltäglichen Übung geworden. 

Nun probiere wir ein neues Schmerzmittel aus. Klar - das macht wieder Hoffnung, ein bisschen Hoffnung. Auf jeden fall werden wir uns die verbleibende Zeit noch so schön wie und stressfrei wie möglich machen, viel kuscheln, viel streicheln, und in der warmen Tasche immer beim Rudel bleiben. Versprochen! 


Montag, 12. September 2016

Wendland und Heide im September

Was der Sommer nicht vermochte, das schafft nun der September spielend. Temperaturen jenseits der 30° Marke, strahlender Sonnenschein, selbst laue Nächte bekommt er noch hin und das über einen schon nennenswerten Zeitraum. Mitnehmen! Sonne tanken für die langen norddeutschen Winter, sogar ein spontaner Tag Urlaub war noch drin. 




Der ADFC Hamburg bot im Rahmen seiner Metropolrunden eine schöne Tour von Büchen am Elbe-Lübeck-Kanal, hinab zur Elbe, Stromaufwärts bis Hitzacker, mit dem Endpunkt Dannenberg an. Warum die Tour nicht einfach um einen Tag verlängern? Am Hauptbahnhof versammelten sich am Sonntag Vormittag neun reiselustige Radfahrer. Bedenken, die Tour sei zu lang wurden zerstreut und mit gemeinschaftlicher Anstrengung wurden ausreichend Fahrkarten besorgt. Im Fahrstuhl und auf dem Bahnsteig ging es chaotisch zu, schließlich wollte alle an diesem Wochenende noch einmal Radfahren. 


Angekommen sind wir trotzdem , so wie man immer irgendwie ankommt. Deutlich spannender wurde es dann noch einmal später auf der viel zu engen Elbbrücke in Lauenburg. Wenn sich zwei große Gruppen Radfahrer dort begegnen, dann ist das ein lebensgefährliches Abenteuer. Wir überlebten auch das und konnten uns sodann entspannt vom Westwind abwechselnd auf und neben dem Elbdeich treiben lassen. Genuss pur, jede Pedalumdrehung ein Glücksmoment. Selbst dem Pinscher konnte man die Freude, die er beim virtuellen Zusammenhalten der rasenden Herde hatte, ansehen. 


Acht Stunden später, nach gut 80 gemeinsam geradelten Flusskilometern, leckerem Kaffee und Kuchen am Elbdeich und einer weiteren Fährüberfahrt in Hitzacker verabschiedeten wir die Reisegruppe am Bahnhof von Dannenberg. Nun waren wir nur noch zu dritt (mit Hund) und Abendessen stand auf dem Programm. Ein passendes Restaurant hatten wir schon im Internet ausgekundschaftet und Speis und Trank entsprachen tatsächlich unseren Vorstellungen. Schnell wurde es spät und die Dunkelheit erwischt einen Mitte September unverhofft, gerade wenn es noch so warm ist. So fand dann auch die Anfahrt zu unserem Nachtquartier, auf dem Ferienhof Meyer in Nieperfitz zum großen Teil im Dunkeln auf holprigen Waldwegen des Wendlandes statt. 


Egal, angekommen, unser kleines Appartement war nett und ebenerdig, so dass der Pinscher noch etwas über den Hof puscheln konnte. Tat er aber nicht, er war genau so müde wie wir. Nach einer Dusche, einem kühlen Getränk und einer Tüte Chips (ungarisch) war der Tag dann auch beendet. Meine Hängematte, die wie ein Bett aussah, war mittelgemütlich, aber ich war müde genug und auch der Pinscher schlief wie ein Stein. Frühstück war prächtig, von vielem etwas, jedenfalls von allem etwas dabei. Des Pinscheres wegen wurden wir des Frühstücksraumes verwiesen. Passte mir hervorragend, denn wir durften stattdessen in einem ruhigen Nebenraum frühstücken, gänzlich unbehelligt vom frühmorgendlichen Redeschwällen anderer Feriengäste. Ja - genau das war eigentlich mein Thema, wenn man seit zwei Jahren neben einer Großbaustelle wohnt (Ende offen), dann ist solch ein Wochenende im Wendland eine Labsal. 


Heiß war es, bergig, sandig, die Lüneburger Heide ist stellenweise schweres Terrain, zudem fühlte ich mich unpässlich, das Fahrrad erschien mir quälend langsam und der Pinscher wollte nichts, piepste aber ab und an, was mich glauben ließ, er wolle wohl was. Erst im Herzen der Heide, in Undeloh angekommen, ging es mir langsam besser. Ein Teehaus im Ortskern versprach feinste Schwarztees und beste Heidetorten. Es hielt sein Versprechen, der Ceylon Tee war gar ein Hochgenuss. Durchatmen, auf die Landkarte gucken, ab und an kommt hier ein Pferdekarre mit Rentnern vorbei. So alt will ich gar nicht werden, dass ich hier Urlaub machen möchte. Sodann kam mir der Gedanke aber absurd vor, schließlich saß ich ja hier. Ich wollte die Tour abkürzen, meine Begleitung noch bis nach Hause fahren. Die Heide hat schon fertig geblüht.  Buchholz? Wir trennten uns in Jesteburg. Harburg? Ach Mensch, dann gehen die 15 Kilometer auch noch. Welch ein Wetter, welch ein Wochenende!












Samstag, 3. September 2016

Schaalsee




Kamera vergessen! Kommt vor, macht aber nix, man hat ja sein Handy ständig dabei. Wieder zu Hause stellt man dann jedoch fest, das ist doch nicht das Gelbe vom Ei mit den Handyfotos. Zum Schaalsee sollte es heute gehen. Über dem tiefsten See Norddeutschlands lag Jahrzehnte lang die deutsch-deutsche Grenze. hervorragende Vorraussetzungen für eine intakte Natur. Seit einer ganzen Weile schon spielte ich mit dem Gedanken an diese Tour, wollte mir jedoch den entspannenden Effekt nicht von tausenden von NDP / AfD und anderen Unparteien aufgehangenen Wahlplakaten, anlässlich der anstehenden Landtagswahlen, nehmen lassen. Ob es hier wohl eine gut sortierte Antifa gibt? Von einigen Laternen grinst "Storch Heiner" in Vorfreude auf den Auszug der NPD aus dem Schweriner Landtag herab. "Sommerschlussverkauf - alles Braune muss raus" - wir wollen das Beste hoffen. 





In Bad Oldesloe sollte meine Tour starten. 28 Fahrräder am Hamburger Hauptbahnhof und eine gestresste Schaffnerin, doch man organisierte sich bestens und alle passten in die Regionalbahn. In Oldesloe regnete es vom blauen Himmel herab, das fühlt sich seltsam an, hört aber mit einer großen Sicherheit schnell wieder auf. Auf nach Osten, am Flughafen Lübeck Blankensee vorbei zur nördlichen Spitze des Ratzeburger Sees, Bei Utecht begegnet mir auf einem Feld eine Gruppe größerer Laufvögel - ungläubiges Kopfschütteln, auch ein paar Autofahrer halten an und beobachten das unwirkliche Schauspiel - hätte noch gefehlt, dass einer auf Merkel schimpft, wegen dieser Immigranten. 


In Kneese Dorf, dem Dorf mit dem schrecklichsten Kopfsteinpflaster auf der Hauptstraße, steuere ich zielstrebig den Forsthof an, ein wundervoll lebendiger Ort, an dem ich vor drei Jahren mit dem Pinscher zusammen, im Garten, bei leckerem Kaffee und Kuchen, eine nette Zeit verbracht hatte. Heute war da nur der Rauhaardackel des Hauses. Auf Nachfrage hieß es, der Kaffeebetrieb habe sich nicht gelohnt. Wie schade! Gut jedoch, wenn man noch weitere Zielpunkte auf der Liste hat. Zum Beispiel die Mosterei Kneese, die unser kleines Wohnprojekt in Hamburg schon seit geraumer Zeit mit  leckerem sortenreinem Apfelsaft aus dem Biosphärenreservat Schaalsee versorgt. Mein Geheimtipp: der Finkenwerder Herbstprinz - ein Apfelsaft wie ein Gedicht, es ist ohnehin unglaublich, wie unterschiedlich Apfelsaft schmecken kann. Die Saison 2016 hat gerade begonnen, die ersten Frühäpfel sind in der Presse und ich hatte Gelegenheit ein paar Sorten ganz frischen, noch nicht pasteurisierten, direkt aus dem Zapfhahn zu probieren.  Ich verabschiedete mich, das nächste Mal würden wir uns bei mir zu Hause sehen, mit dem Apfelsaftvorrat für den Winter. 


In Lassahn gab es endlich Kaffee und Kuchen, und das mit Aussicht auf den See. Der nächste Stopp war beim Fischer in Zarrentin. Frisch geräucherte Maräne aus den Tiefen des Sees passte gut verpackt als Mitbringsel in die Packtasche hinter dem Sitz. Und noch ein weiteres Mal hielt ich an, bei einem Bäcker, schon diesseits des Elbe-Lübeck-Kanals, wo es ein Stück Pflaumenkuchen im vorbeifahren durch die Schaufensterscheibe schaffe, mich anszulächeln. Da konnte ich nicht widerstehen. Geplantes Ziel meiner Schaalseerunde (schaal, wie steinig, ein slawisches Wort, wusste eine kluge Schautafel) sollte der U-Bahnhof Aumühle sein. Es rollte gerade gut, da kam es dann auf die letzten 25 km bis zu Hause auch nicht mehr an. Jeder Meter ist ein guter Meter, es gibt nichts gutes außer man tues und was Hänschen nicht lern......egal aus welchem Grund, ich bin dann doch lieber noch der untergehenden Sonne entgegen nach Hause geradelt. 

Sonntag, 28. August 2016

Sternfahrt zur Mitte von Niedersachsen

Dietmar stand mit seinem weißen ICE-Trike auf einer Verkehrsinsel an den Elbbrücken und starrte ratlos auf seine Landkarte. Ich war spät los gekommen, das Aufstehen hatte sich in die Länge gezogen, der Pinscher trottete übergemütlich um den Block heute morgen und ich musste wenigstens einen Happen gegessen haben, Echtfrühstück sollte es später unterwegs geben. 



Dietmar war so in seine Papierkarte vertieft, dass ich durch den Verkehrslärm hinüber pfeifen musste. "Andere Elbseite? Ich kenn den Weg! Treffen? Niedersachsen? Jaja, kannst mir hinterher fahren...." Dietmar war langsamer als ich, Trikes sind nicht so schnell im allgemeinen und Dietmar japste insbesondere. Ich geriet ein bisschen in Zeitnot. Frühstück beim Straßenradbäcker in Sevetal. Pott Kaffee, Franzbrötchen, Kopenhagener, Dietmar wollte tatsächlich zu einem Treffen, jedoch ein ganz anderes in der Südheide, förderte unser Gespräch zu Tage. Macht ja nix, die Richtung stimmte noch halbwegs und Dietmar bog in Jesteburg Richtung Süden ab. Die Anzahl der Möglichkeiten Leute kennen zu lernen ist unendlich. Für mich war es nun an der Zeit,  ein paar Kohlen nachzulegen und die Geschwindigkeit dezent zu erhöhen. 


Da ich ja gerne mal meckere, im allgemeinen über Radweg und insbesondere über Radwege an denen die Schilder mit der Aufschrift "RADWEGSCHÄDEN!" verwittern, muss ich heute mal so fair sein und ein Lob aussprechen. Die Radwege im nördlichen Heidekreis und im Südlichen Kreis Rotenburg sind sehr gut. Erst Richtung Verden an der Aller normalisierte sich die Lage. Größere Pausen waren zeitlich nicht mehr drin, erst hinter der Weserbrücke hielt ich an um eine Flasche Wasser in mich hinein zu kippen und zwei Müsliriegel hinterher zu schieben. 



14:53 Uhr - Einlauf am Mittlepunkt von Niedersachsen. Nach knapp 140 km nennt man so etwas Punktlandung. Es gibt nichts zu sehen dort. Um mich noch einmal zu vergewissern fragte ich zwei Velomobilisten die träge auf ihren ISOmatten lagen: "Is hier was?" ...."Nö!" kam die knappe Norddeutsche Antwort. Sehr schön, ich bin gerne wo nichts ist, also gesellte ich mich  zu dem noch kleinen Kreis und wartete ab. Irgendwann war dann doch was. Aus allen Richtunge zischen Liegezigarren heran und am Schluss ein knalloranger VW Bus aus dem grasgrünes Waldmeistereis verkauft wurde. Großartig, ich liebe Waldmeistereis. 


Alsbald sah es hier aus wie auf einem Spielplatz für mittelalte Erwachsene. Die Stimmung war gut, man (ich weniger) kannte sich, begrüßte sich freudig, guckte hier probierte da, bis zum Aufbruch geblasen wurde. Zügig, leise und umweltneutral setzte sich unser Tross in Bewegung - Ziel: der kleine Hafen von Hoya an der Weser.



Im Vorbeifahren versorgte ich mich in einem Supermarkt mit Grillgut, Brot und mehr Getränken als ich selbst transportieren konnte, fand aber schnell jemanden, der noch Transportkapazität hatte. Das Gelände war nett, direkt am Fluss gelegen, es gab Tische und Bänke, eine Wiese zum zelten, einen Grill und ein Klo auf der anderen Straßenseite beim Ruderclub. Fast tat es mir leid, dass ich im Vorfeld beschlossen hatte noch am Abend wieder zurück zu fahren. Ich habe seit 30 Jahren nicht mehr gezeltet, finde aber, ich sollte es noch einmal versuchen, bevor ich alt bin. Raus aus den verschwitzen und staubigen Klamotten, rein in die Weser. Das Wasser war naja und Strömung hatte es leider auch, Das die Armmuskulatur nicht mit den trainierten Beinen mithalten kann, merkt man spätestens auf dem Rückweg. Puh! Anlass noch eine weitere Flasche mittelkaltes Getränk zu verkosten und dann zum Chillout zu wechseln. Immer noch 30+ °C, strahlender Sonnenschein, leichter Wind, ich entschloss nur so da zu liegen und horchte einem Schiffsdiesel nach. Fast zwei Stunden nur so liegen und ab und an mal blinzeln, herrlich, bis mich der Hunger plagte und ich mich wieder dem Fahrradvolk zuwandte. 


Ich gab mehrere Stücke vom toten Tier beim Grillmeister ab, die ich sodann nie wieder zu Gesicht bekam. Schlimm war das nicht, ich aß halt anderes Tier. Ein Schwätzchen hier, ein Schwätzchen dort, das eine oder andere Rad ausprobiert und auch wieder etwas zum Staunen entdeckt: Ein selbstgebautes Velomobil mit einer Verkleidung aus ISOmatten die abgenommen als Zelt dient - auf so etwas muss man erst mal kommen, ich war beeindruckt.



Kurz nach 21:00 Uhr hieß es abschied nehmen. Nach kurzer Fahrt erreichte ich den Bahnhof Eyestrup. Mit der Regionalbahn nach Bremen, dann umsteigen in den quälend langsamen BummelMetronom nach Hamburg, erschöpft war ich gegen 1:00 Uhr zu Hause. Wärend ich in der Wanne die Reste der Weser abschrubbte, fasste ich den Vorstatz, im nächsten Jahr bestimmt wieder hin zu fahren, zum Mittelpunkt von Niedersachsen. 










Samstag, 20. August 2016

Nordsee - ein perfekter Tag



19. August und in diesem Jahr immer nicht an der Nordsee gewesen? Um Himmelswillen - das muss behoben werden. Außerdem gab es ja da noch die neue Fähre, die getestet werden wollte, was jedoch mangels passendem Wetter stets ausgefallen ist. Heute also, der Tag, ein perfekter Tag! 6:53 Uhr, der Wecker klingelte planmäßig. 6:02 Uhr, mein innerer Wecker zeigt dem planmäßigen Wecker eine lange Nase. Zwischenzeitlich, beim ersten Kaffee mit Hundkraulen im Bett (wen es stört der mag es überlesen), die Überlegung was denn einen perfekten Tag ausmacht? Meer ist immer gut, Schafe machen gute Laune, gutes Wetter sowieso. Bewegung ist wichtig, den Körper spüren, ein Mix aus Anstrengung und Entspannung, essen, gucken, denken, Konversation, aber davon nicht zu viel. Mist, ich muss los, die Frührunde mit dem Pinscher um den Block, fütter, Köpfchen streicheln, am Ende schaffe ich das doch immer unter Zeitdruck zu geraten. Den Metronom um 8:06 Uhr musste ich nehmen, schließlich hatte ich einiges vor an diesem Tag.


Hamburg- Himmelpforten, Fahrradabteil gähnende Leere, auch sonst nichts los an diesem Freitag Morgen. Das Arbeitende Volk war wohl schon bei der Arbeit und der Rest der Nation lag noch in den Federn. Diese Uhrzeit sollte man sich merken. Verbales Kopfstreicheln vom Kartineur, ich hatte zufällig die richtige Fahrkarte gezogen. Der Tag war wirklich vielversprechen bis hierher. In Stade stieg eine Frau mit Klapprad zu. Nachdem sie das Klapprad umständlich geklappt hatte, tat sie kund, spontan jemanden umarmen zu wollen. Der Schaffner, der gerade einmal wieder vorbei schlenderte, opferte sich lachend. Himmelpforten: auf dem Bahnsteig gegenüber räumte der Weihnachtsmann gerade seien ambulanten Tasskaffeestand zusammen. Uns trennten zwei Gleise, ich winkte hinüber und er rief: "Moin! Is alle!" Naja, wird wohl noch Kaffee kommen. 


Kaffee kam aber nicht in Niederelbien. Eigentlich kam garnichts, hier ist nämlich nichts. Es ist die sprichwörtliche Landschaft, in der man Morgens schon sieht wer zum Mittagessen kommt. Gegen hab elf erreichte ich die Oste. Aufregend: die Klappbrücke war einspurig und der Verkehr Ampelgesteuert. In Oberndorf steuerte ich die Kombüse 53°Nord an, das mir bekannte Kultur, Feier- und Futterzentrum vor Ort. Leider noch geschlossen. Ohne große Hoffnung fuhr ich noch weiter bis zum südlichen Ortsrand. "Lembke", der Dorfladen, die Rettung. Drinnen, auf 70 Jahre altem, löchrigem Linoleumboden fand sich auf, unter und zwischen wild zusammengewürfeltem Interieur alles was man auf dem Land so braucht. Brötchen waren alle, war ja schon fast Mittag. Ich Griff zu einer Flasche kalorienverstärkter Limonade und einem Snickers. Zwei Ureinwohner vor mir an der Kasse. Ich begriff schnell, das würde eine längere Aktion, hier kauft man nicht nur ein, sondern gibt auch seinen Lottoschien ab, die chemische Reinigung, die Beileitskarten und man erkundigt sich selbstverständlich nach dem Wohlbefinden der Nachbarn die Straße rauf und runter - kurz, hier findet das Dorfleben statt, das lokale Facebook und mir kribbelt es unter den Füßen. Mein Blick trifft beim planlos gequälten umherschweifen auf einen Tisch mit Kaffeekanne, Tassen, Zucker, Milch, Keksen.....Holla! Das wollte ich doch! "Darf ich?" so meine in den Raum geworfene Zwischenfrage. "Yo!" und ein Nicken. "Kaffee, Limo, Snickers", zählte ich ungeduldig auf, als ich endlich an der Reihe war. "Kaffee kost nix" kam es knapp zurück, "zweivierundzwanzig."


Vor dem Laden hatte sich derweil die Dorfrentnerschaft um mein Liegerad versammelt. Ein älterer Herr mit kurzen Beinen und beachtlichem Bauch sagte sein Kardiologe habe och so ein Gerät, allerdings würde es nicht fahren, sondern man würde an Strippen gehängt und müsse dann strampeln. Die üblichen Fragen nach dem Warum und dem Wie - nein, dass ich damit heute noch bis Cuxhaven und zurück nach Hamburg fahren würde, dass kaufte mir dann doch niemand ab. Ich brachte noch die Tasse zurück und brach auf. "Kom rin Jong! - ab 11:00 Uhr ist Frühschoppen", klang es aus der Kombüse, als ich langsam und mit fragendem Blick ein zweites Mal vorbei kam. "Nächstes Mal, keine Zeit!" rief ich zurück und holperte über das Kopfsteinpflaster der Oste folgend Richtung Elbe. 


Bei Otterndorf trifft man auf den Hadelner Kanal, ein schönes Fleckchen Erde hier, denke ich immer, wenn ich dort vorbei komme. Weiter führt mich der Weg zur Elbe und vor dem Deich Richtung Norden. Alle 300 m ein Schafgatter, es nervt. Nach einer Weile hatte ich dann raus, "zufällig" dann bei einem Tor anzukommen wenn gerade andere Radfahrer sich hindurch mühten. Es war ein leichtes mit Durchzugschlüpfen. Kostet dann immer nur ein "Hallo! Moment!" und ein "Danke!" und spart das mühsame Absteigen. Das sieht auch in meinem Alter auch wirklich nicht elegant aus. 


Cuxhaven ist meine Lieblingsstadt an der Nordsee. Nicht zu groß, viel Hafen, viel Wasser, Strand, nie überfüllt. Cuxhaven hat viel von dem, was ich in Hamburg gerne hätte, Ironie der Geschichte, Cuxhaven gehörte bis 1937 zu Hamburg. Heute gab es Backfisch, Crêpe und Kaffee - die Klappbrücke klappte und ich beobachtete beim mampfen Urlauber aus Süddeutschland, die sich hier im Norden immer irgendwie auffällig benehmen. Wo denn die Fähre nach Brunstbüttel abfahre, fragte ich den Crêpebäcker. Da hinten glaubte er, jedenfalls seien dort Schilder wo das drauf steht. Da hinten war dort, wo einst die Hapag Lloyd Schiffe mit Auswanderern nach Übersee ablegten. Neues Terminal, freundliches Personal, 10 Euro für die Überfahrt mit dem Fahrrad. Die Fähre war zwar nicht alt, aber eine alte Bekannte, 2013 sind wir mit diesem Schiff von Rohuküla nach Heltermaa auf der Insel Hiiumaa gefahren. Klingt ausländisch, ist estnisch. Wen wundert es da, dass die Fährverbindung von einer estnischen Reederei betrieben wird. 


An Bord alles hell und freundlich. Mir war schon damals aufgefallen, dass es in Estland nur neue Fährschiffe gab. Der Untergang der "Estonia" war eine nationale Krise, der man offenbar mit einer Armada neuer Fähren begegnet war. Nun fährt dieses schöne Schiff also hier bei uns auf der Elbe, sehr erfreulich. 


Nachdem das Fahrrad sicher im Bauch verstaut war, fuhr ich mit dem Aufzug auf das Oberdeck, orderte einen Pott Kaffee und suchte mir einen sonnigen Platz mit View auf dem Außendeck am Heck. Sanfte Brise, salzige Luft, ich suchte den Horizont nach der Kugelbake, dem Wahrzeichen von Cuxhafen und der Insel Trischen, einem unbewohnten, recht auffällig geformten Eiland in der Elbmündung ab. Augen zu, tief durchatmen, Sonne auf der Haut. Rubrik unnützes Wissen an Bord: Cuxhaven hatte mal eine Staßenbahn, vom 6. Juli bis zum 2. August 1914, also rekordverdächtige 28 Tage lang. Wen es jetzt wirklich interessiert der darf die Gründe dafür bei Wikibedia nachlesen. Die Fähre legte ab und die beiden Rolls-Royce Dieslemotoren brachten die Schiffsschrauben auf 195,92 Umdrehungen pro Minute (unützes Wissen aus dem Schiffshandbuch). Nützt ja nix!


Es fühlte sich wie Urlaub an, Cuxhaven langsam verschwinden zu sehen. Dicke Pötte, Krabbenkutter mit einer Möwenschleppe, ganz viel Himmel und Meer, ich bekam ein wohliges frösteln. So hätte es von mir aus noch Stunden weiter gehen können, aber die Überfahrt dauerte leider nur 80 Minuten. Wo er denn noch hin wolle, fragte ich beim anlegen einen zottigen, alleinreisenden  Jugendlichen mit Rad und viel Gepäck. "Spräächen nix deutsch!", englisch fuktionierte besser. Husum war das Tagesziel, aber er befürchtete es werde dunkel vorher. 


Diese Sorge teilte ich für mein Ziel Hamburg auch. Die Besichtigung der Kanalschleusen in Brunstbüttel verschob ich deshalb auf ein Andermal. Ich folgte dem Nord-Ostsee-Kanal ein paar Kilometer und nahm die Fähre hinter der Autobahnbrücke. Kanalfähren sind kostenlos, entsprechen zügig war die Abfertigung. "Schieben!" blaffte es. "Seh ich aus wie ein Fahrrad?" kam es reflexartig aus meiner Kehle.


Es ging quer durchs platte Land. In Wilster füllte ich meine Getränkevorräte an einer Tankstelle auf. Ich überquerte die Stör und folgte ihr bis hinter Itzehoe. Man mag es gar nicht sagen und sicher gibt es auch Menschen die das anders empfinden, aber die nun folgende Landschaft bis zum westlichen Stadtrand von Hamburg hätte sicherlich beste Chanen zur langweiligsten Gegend Deutschland gekührt zu werden, so es einen entsprechenden Wettbewerb gäbe. Alleine der Ehrgeiz heute noch die Marathon-Distanz (200km+ in 13,5 Stunden) zu fahren war noch genug Anreitz in Pinneberg nicht in die S-Bahn zu steingen. Die Antizugspitze, die tiefste Stelle Deutschlands war sicher noch einen Halt wert, aber zu sehen gibt es ja dort, wenn man ehrlich ist, auch nichts. Die Radwege im Kreis Steinburg kann man getrost als Hölle unter Rädern bezeichnen und, fast als sei man stolz darauf, weisen alle paar Kilometer neu aufgestellte Warnschilder auf den schlechten Radweg hin. Da kommt man doch wieder ins Grübeln.


Nein stopp, es war ein wundervoller Tag, großartig, perfekt! Von solch kleinen Unannehmlichkeiten lassen sich echte Vagabunden nicht abschrecken. Der Sonnenuntergang war umwerfend, der Pinscher hat sich gefreut, dass ich wieder da bin und ich habe etwas leckeres gekocht bekommen und nach dem Essen das geschundene Gebein in einer heißen Wanne Wasser entspannt. Life is fantastic!


Nachtrag:

am 20. August 2015 startete der Betrieb der Elbfähre Cuxhaven-Brunstbüttel

Das finde ich sehr traurig und es wäre sehr schade, wenn die Fähre ihren Betrieb einstellen müsste. Also Leute, fahrt Fähre! 













Montag, 15. August 2016

so wie früher






Nachdem ich zwei Tage sowohl Wetter, als auch Wetteraussichten beobachtet hatte, beschloss ich, das Wetter werde gut genug für einen Ausflug an die Ostsee. Richtig gemütlich sollte er werden, nicht weit, nicht schnell, selbstverständlich mit Pinscher und ohne Aufregungen. Keine Aufregung über den Fahrkartenautomaten der Bahn, der mir partout ein zu teures Ticket verkaufen wollte, nicht über die 30.000 brechreiz erregenden NPD und AfD Plakate die das schöne Mecklenburg verunstalten, Nicht über gruselige Radwege und auch nicht darüber, dass das zuerst angepeilte Café in Lüdersdorf heute Ruhetag hatte. Einfach so dahin gleiten und alles blöde dieser Welt ausblenden, so der Plan.





Den Pinscher hatte ich schon lange nicht mehr mitgenommen, nein, das schlechte Gewissen blende ich jetzt auch aus, ich wollte halt etwas rasen in den letzten Wochen, und Urlaub war ja auch. So zeigte das Tier dann auch recht wenig Interesse als es los gehen sollte und zog es vor unter Nachbars Balkon nach Mäuse Ausschau zu halten, so das ich sanften Druck ausüben musste, damit wir den angepeilten Zug nach Lübeck noch erwischen würden. Крузенштерн hatte ich am Wochenende geputzt, geölt, gefettet und die Reifen aufgepumpt. Hundetasche hinten drauf, die nötigen Kleinigkeiten in der Fahrradtasche verstaut konnte es los gehen. 


Von Lübeck aus gen Osten, über Schönberg und Dassow hinauf zur Ostsee, am Strand etwas abhängen, Niederegger besuchen und dann zurück nach Lübeck war der Plan. Die schlechteste Wurstbude der Welt ist pleite und dort wo ich sonst ganz gerne mal abhänge, auf dem Priwall gegenüber der Mole an der Tavemündung ist jetzt eine Großbaustelle. Mit wehenden Fahnen erreichte ich die Personenfähre hinüber nach Travemünde. Fahrkarte wurden nicht kontrolliert, das war gut, ich hatte nämlich keine.


Wie ich vermutet hatte war trotz Sommerferien am Strand nicht viel los. 18°C sind wenige einladend zum Baden. Zunächst zog es uns auf die Mole, später noch die Strandpromenade hinauf Richtung Niendorf. Ganz am Ende, wo es ruhig war, legten wir uns ins Gras. Der Pinscher puschelte rum. Eine Stunde würde ich ohne etwas zu tun liegen wollen, hatte ich mir vorgenommen. Welch ein Blödsinn? Hochleistungsnichtstun? Wie bescheuert ist das denn? OK, neuer Ansatz: Nur so daliegen, in den blauen Himmel schauen, die Wolken vorbei ziehen lassen, die salzige Luft einatmen, an nichts denken, nur ein- und ausatmen. Naja, fast hätte ich es drei Mal geschafft, dann übermannte mich der Gedanke an eine Marzipantorte. Immerhin hatte ich es versucht. 


Pinscherfreundlicher Platz bei Niederegger in der ersten Reihe. Auch hier war das nur fast perfekte Wetter und die fortgeschrittene Uhrzeit hilfreich. "Darf ich ihnen auch noch etwas bringen" fragte die Kellnerin im Vorbeigehen nach einer halben Stunde, die ich mit Schiffegucken und Pinscherkraulen verbracht hatte. "Wenn sie das "auch" und das "noch" weglassen, und vielleicht erst einmal den Tisch abräumen, werden wir uns sicher einig", antwortete ich für meine Verhältnisse freundlich. Wir wurden uns dann doch noch schnell einig, ich wollte schließlich unbedingt Marzipantorte. 


Von Travemünde nach Lübeck gibt es viele furchtbare Fahrradwege. Ich wählte heute den minderfurchtbaren Höhenweg über der Marina Baltica mit Blick auf Hafen und Stadt. Einzig der vom vielen Regen zerflossene Schotter störte das Behagen. Gelegenheit den Pinscher, wie früher, ein Stückchen laufen zu lassen. Er ging es mit Elan an, aber schon nach wenigen Metern knickten die Beine weg - blöde Arthrose. Trotzdem hatte ich den Eindruck, auch das Tier hatte eine gewisse Freude an diesem Ausflugstag.


Samstag, 30. Juli 2016

Ebro - Wissensfragen


Der Ebro ist ein großer Fluss, war mir zu wissen. Der Ebro ist ein kleiner Bach, sah ich. Aus dem Ebro wird nie ein großer Fluss, folgerte ich, auf den paar Kilometern zum Atlantik wird da nichts mehr draus, sagte mein gesunder Menschenverstand.


Derartige Wissensdiskrepanzen lassen mir keine Ruhe. Der Ebro ist der zweitgrößte Fluss der iberischen Halbinsel, sagte Wikipedia. Der Ebro fließt nämlich gar nicht in die nahe Biscaya sondern nimmt den langen Weg entlang der Pyrenäen bis ans Mittelmeer. Wieder etwas schlauer geworden dachte ich. Angetan von der Weisheit der Onlineenzyklpädie las ich weiter, dass die drei Ebro-Stauseen allessamt zwische Saragossa und Barcelona liegen und wie folgt heißen..... 


Moment mal? In diesen wundervollen Stause hier, der es von der Wassefläche her locker mit den größten deutschen Stauseen aufnehmen kann, fließt vorne der Ebro rein und hinten der Ebro raus. Auch ist er nicht erst seit gestern da sondern feiert nächstes Jahr seinen siebzigsten Geburtstag. Kann es wirklich sein, dass er mit keinem Wort bei Wikipedia erwähnt wird? Es kannn!


Egal ob es dieses Wasser nun gibt oder nicht, ich war spontan entschlossen es zu umrunden. Gar lieblich lag der See in der trockenen Hochebene, auf der Südseite von einer Schmalspurbahn flankiert, im Osten sehr flach und im Nordwesten an das cantabrische Skigebiet von Alto Campo grenzend. Nach Befragung des GPS-Orakels erschien mir der See umrundbar im Zeitrahmen von gut 3 Stunden. Am Ende wurden es dann doch vier, was eindeutig an der Schönheit der Landschaft lag.


Am Abend hatten wir das Glück, einen Spanier zu treffen der lange Jahre im spanischen Konsulat in Düsseldorf gearbeitet hatte und uns viel über den See und über Nordspanien erzählen konnte. Er diene der landwirtschaftlichen Wasserversorgung und die besten Forellen fange man dort, wo er als kleiner Junge einst gewohnt hat und wo heute nur noch der Kirchturm aus dem Wasser ragt.


Ridviehcher, Pferde, Ziegen, ganz im Osten einige wenige Kite-Surfer, im Süden eine überraschend kleine Staumauer, der See ist nicht tief, hat aber eine gigantische Ausdehnung. Bei strahlendem Sonnenschein und klarer Bergluft war die Rumrundung eine helle Freude. Das hügelige Gelände bot Anstiege die den Kreislauf auf Trab brachten, aber immer kurz genug waren, keinen Fluch ausstoßen zu müssen. Die Abfahrten boten ausreichende Erholungspausen. 


Nach erfolgreicher Rumrundung gab es die obligatorische Begrüßung durch den Pinscher und einen Kaffee. Duschen im Wohnmobil klappt derweil ganz gut und mit erstaunlich wenig Wasser. Wir entschlossen noch einen weiteren Tag am Embalse del Ebro zu  bleiben, an einem netten Platz den ich am Nachmittag gefunden hatte und ganz ungeachtet der Tatsache ob es ihn nun gibt oder nicht.


Montag, 25. Juli 2016

Senda del Oso - Bärenweg


Nachdem wir auf unserer Reise durch Nordspanien den westlichsten und den nördlichsten Punkt des Landes besucht hatten, uns ein paar Tage am Meer herumgetrieben haben und vor dem touristischen Einerlei wieder in die Berge Asturiens geflüchtet sind, juckte der Fahrraknochen. Elf Tage ohne Rad ist eine kleine Ewigkeit. Meiner Beobachtung nach sind spanische Autofahrer zwar sehr rücksichtsvoll im Umgang mit Radfahrern und häufig mahnen Schilder einen Mindestabstand von 1,5 m an (wäre toll wenn es das in Deutschland auch gäbe), jedoch war die Topografie bisher wenig reizvoll für einen Liegeradausflug und auf manchen Straßen hätte es mich als Radfahrer gegruselt unerwartet zu landen.


Schon zu Hause hatte ich kurz erkundet, dass es in den nordspanischen Bergen einige Bahnradtrassen auf stillgelegten Schmalspurbahnen geben soll. Nun hatte ich etwas genauer hingeschaut und stieß auf den Senda del Oso, den Bärenweg. Bär? Ja, in Asturien gibt es eine gesunde Population von 200 wilden Braunbären, die in der zerklüfteten Hochgebirgslandschaft ihre Heimat haben. Zwei Exemplare, die von Wilderern verletzt wurden, leben in einem Gehege an der Bahntrasse und sind eine Touristenattraktion. Gesehen habe ich sie nicht, sie hielten wohl gerade Mittagsschlaf als ich vorbei fuhr.


Von unserem Übernachtungsplatz an einem See in den Bergen fuhren wir talwärts auf einen Parkplatz, der als Einstiegspunkt für den Radweg gekennzeichnet war. Ausschilderung; eine üble Geschichte, wie ich im Laufe des Nachmittages noch feststellen sollte. Zwei mal verfehlte ich den vorgesehenen Weg und fuhr unbemerkt ein falsches Tal hinauf. Ärgerlich, zum einen fehlte an wirklich wichtigen Punkten ein Hinweis, zum anderen waren Schilder, Flyer, Karten, Wegbeschreibungen und auch Informationstafeln über Sehenswürdigkeiten ausschließlich in spanischer Sprache verfasst - doppeltärgerlich weil viele Projekte anscheinend von der EU finanziert wurden. Wenigstens eine englische Fassung hätte ich da erwartet.


Die Grandiosität der Landschaft fraß den Ärger. Ich fuhr mit vor staunen offenem Mund und musste immer wieder anhalten und schauen. Unzählige kleine Brücken und Tunnel durch tiefe Schluchten und an schwindelerregenden Hängen, unglaublich, dass hier einst Züge entlang fuhren. Anfangs war ich etwas skeptisch, ob ich die Anstiege mit Flachlandübersetzung und Straßenbereifung meistern könnte. Es ging zwar etwas ruppig zu auf der streckenweise holprigen Betonpiste, jedoch war es überhaupt keine Problem zügig an der Sonntagsnachmittagsmoutainbikefraktion zügig vorbei zu ziehen. Ich hatte den Eindruck viele wollten auch nur einmal ein Liegerad aus der Nähe sehen, das scheint wirklich seltener als Braunbären ich Asturien zu sein. Nach längerem Studium der Landkarte kam es mir vor ich sei falsch, der See, an dem wir übernachtet hatten wollte einfach nicht auftauchen, wie auch immer, er lag im Nachbartal. Also zurück, diesmal schnell über die Autopiste, und neuen Anlauf nehmen.


Na also, geht doch. An der Staumauer liegt ein Ausflugskaffee für Radfahrer, 500 m entfernt vom nächsten Parkplatz - undenkbar in Deutschland. Die Arbeitsgeschwindigkeit des Personals war erschreckend, bei näherem Hinsehen die gesamte Organisation der Gastronomie ein Graus. Qualität und Preis des Kaffees versöhnten jedoch schnell. Windelwechsel am Nebentisch - der Farbe nach zu urteilen Spinat.


Minenbahn, Minenmuseum zur Rechten, aufgeräumtes Areal, geschlossen, keine Erklärung, nicht mal auf spanisch. Schade, trotz Mine hatte ich offensichtlich wieder die falsche Taleinfahrt genommen. Auf einer breiten leeren Straße quälte ich mich noch ein bisschen den Hang hinauf, es sollte sich wenigstens lohnen, wenn ich das Fahrrad auspacke. Auf dem Rückweg untersuchte ich den Ort, wo ich den Irrweg eingeschlagen hatte genauestens auf einen Hinweis für die richtige Richtung - Pustekuchen, nix zu finden. Egal, schön war es trotzdem.


Hinab nahm ich wieder die gut ausgebaute Asphaltpiste. Fast hätte ich meinen Allzeitgeschwindigkeitsrekord gebrochen, leider bremste mich ein Looser mit silberfarbenem BMW kurz vor der Schallmauer aus. Nach nur 40 Minuten war ich wieder wohlbehalten im Tal und wurde von Frauchen, Hund und Kaffee am Wohnmobil empfangen. 






Donnerstag, 21. Juli 2016

Hommage an den besten Reisehund der Welt




Vielleicht ist es nicht der richtige Ausdruck, eine Hommage ist eine Huldigung an einen  Menschen, jedoch gibt es leider kein ähnliches Wort für einen Hund. Trotzdem wisst ihr jetzt sicherlich was ich meine - ich möchte dem weltbesten Reisehund Ehre erbieten. 


Wenn ich mich nicht verzählt habe, hat das kleine Kerlchen uns schon in 21 Länder begleitet. Gerade heute noch wurde uns bewusst, Verständigungsprobleme gab es nie. Hundisch ist hundisch, weltweit. Im Taxi nach Tirana - unseren alten Mercedes hat er geliebt (bei 40 Grad mussten wir ihn jedoch in feuchte Tücher wickeln damit er überlebt), auf unserer Radtour rund um Estland das Rudel zusammen halten (eine wirklich schwierige Pinscheraufgabe), mit dem Wohnmobil am Nordkap (abends in seine Decke gemummelt), in schwindelerregenden Höhen entlang der Levadas auf Madeira (ich kann nicht hinsehen, aber Hunde stürzen nicht ab, Hunde können das), auf den heißen Lavafeldern von La Palma und nun am westlichen Ende der Welt in Spanien, immer war er dabei, immer war es eine Bereicherung.


Wir mussten alle viel lernen, im Flieger geht es in die Tasche und Ruh ist, im Auto wird nicht geturnt, Radfahren ist seine Naturbegabung und im Zug sagen die Leute im Abteil beim Aussteigen oft:"Ach sie haben einen Hund dabei, den haben wir ja gar nicht bemerkt!" Im Restaurant liegt man unter dem Tisch und bettelt nicht (beim hinausgehen gibt es dann aber ein dickes Leckerli) usw usw....


Die meisten Dinge gestalteten sich deutlich einfacher als befürchtet. Ein kleiner Hund, und gerade ein kleiner Hund der aussieht wie ein Mini-Dobermann geht öfter mal noch durch, wo andere draußen bleiben müssen. Was überhaupt nicht geht ist: Der Hund kommt nicht ins Bett! (da war er schon immer) und: Der Hund darf nicht in den Frühstücksraum, wir passen solange auf ihn auf! (schweißgebadeter Kellner mit der Bitte doch schnell den Hund abzuholen). Tasche klappt wunderbar, ansonsten müssen wir leider auf die Lokalität verzichten. 


Sorgen macht uns der kleine Reisemeister nun aber doch in letzter Zeit. Seine schlechte Stimmung konnten wir medikamentös etwas aufhellen, den kaputten Rücken bekommt man wohl nicht mehr heil. Manchmal denke ich, ich habe ihn etwas überfordert in seinem bisherigen Leben - aber wer will das schon sagen, schließlich hatten wir eine Heidenspaß. In Zukunft werden wir wohl etwas gemächlicher heran gehen müssen. Auf lange Radtouren, kaltes nasses Wetter und anstrengende Wanderungen müssen wir in Zukunft verzichten. Noch heute jedoch, als er einen kleinen Hügel nicht hinauf kam, weil die Hinterläufe einmal wieder den Dienst quittierten, kam mir der Gedanke an ein Babytragetuch - gleich zu Hause werde ich der Idee weiter nachgehen, auf dass wir noch viele spannende Reisen gemeinsam erleben können.