Montag, 23. Mai 2016

FNRttC


Natürlich wieder eine dieser dusseligen Abkürzungen - steht für (F)riday (N)ight (R)ide (t)o (t)he (C)oast und ist bei betont sportlichen Briten ein beliebter Einstieg in das Wochenende. Geneigte Menschen schwingen sich Schlag Mitternacht auf ihren Drahtesel und fahren, dem vernehmen nach, bei jedem Wetter, an die Küste um dort den Tag zu begrüßen. Auf der Insel gibt es nur wenige Orte, die weiter als 100 km vom Meer entfernt sind - so las ich in einem Fitnessratgeber. 




Das Wetter versprach in dieser Nacht frühsommergöttlich zu werden - warum also nicht. Auch wir hier im Norden haben immer irgendwo Küste - OK, es war Samstag, aber sollte mich das abhalten? Binnen kurzer Zeit war auch ein Mitfahrer akquiriert - Ziel: Travemünde.


Kleine Variation des Ablaufes: Start 3:00 Uhr. Warum? Ich hatte die vage Befürchtung, sonntagsmorgens um vier würde uns niemand in an der Trave eine Frühstück servieren. Der Pinscher schaute mich ungläubig an und machte kehrt. Dabei wusste er nicht einmal, dass dies die längste Radtour seines Lebens werden würde. Die Futterdose brachte Klarheit: Aufsehenszeit! Ich vergriff mich an einem Stück übriggebliebenen Kuchen - fatal - mein Magen schlief noch. Gepackt hatte ich am Vorabend, mein Reisegenosse wartete auf dem Hof (seit wann ist der so verdammt pünktlich?). Moin! Hanseatische Begrüßung, man kennt sich ja, weiß was Sache ist und grob wo es lang geht. 


Eilbekkanal, der Wandse folgend Richtung Ahrensburg, Großhansdorf. Kein Verkehr, die Fahrbahn ist unser. Um vier schmettert die Vogelschar los, fast schon ohrenbetäubend. Tieraugen im Wald, zwei drei Rehe, Hasen, Moorhühner........naja, wohl doch eher Fasane, aber aufgeschreckt hören die sich genau so an wie die Moorhühner, die man im seinerzeit beliebten Ballerspiel erlegen musste. 5:09 Uhr, 13°C, Windstille, Sonnenaufgang in der holsteinischen Pampa. Papipause, Müslieriegel, einen Schluck trinken und gen Osten schauen. Großartig! Um 5;50 Uhr erreichen wir den Stadtrand von Lübeck. Nachtgestalten, Bierdoseträger, Angler, ambulanter Pflegedienst, Bäcker, Zeitung, ich liebe diese Stunde in der Stadt und frage mich gerade, warum ich nicht häufiger so früh unterwegs bin. Halb sieben, die ersten verschlafenen Hundegassirunden werden gedreht ein Frühzüg auf der Vogelfluglinie rattern vorbei. 



Kurz vor acht erreichen wir Travemünde. Jogger, Stockenten, Frührentner, Neuerpinkfarbenerjogginanzugspazierenträgerinnen, drei Möpse, Strandaufräumer. Der kleine Leuchtturm auf der Mole war das Ziel, wenn schon, dann auch so weit raus wie es geht. Freundlicherweise schickte jemand zwei der Nordlandfähren just in dem Moment vorbei, als wir auf der Mole standen und unseren kleinen Sonntagmorgentriumph genossen. Das sieht immer sehr beeindruckend aus, weil man kaum glaubt, dass die riesigen Schiffe durch diese kleine Flussmündung passen. Ich hatte ein Handtuch mitgenommen. Wassertemperatur 12°C sagte eine rote Digitalanzeige am Strand - naja vielleicht ein andermal. Die Fahrt mit dem Rad durch den Brunnen auf der Strandpromenade war für den wasserscheuen Pinscher schon aufregend genug.


Sonne, warme Sonne, Frühstück, französisch, Kuchen: zweiter Versuch. Nach 90 km schmeckt alles. Zu schön hier, Trubel in Anbahnung, Schnack mit den Leuten am Nebentisch - "wie sie kommen von Hamburg? gestern? und wo geht es heute hin?" Ich spiele mit dem Gedanken mir ein halbes Dutzend Parkplätze zu reservieren und in zwei Stunden mit satten Gewinnen an Blechjünger weiter zu veräußern. 


Wir beschließen mit der Fähre auf den Priwall überzusetzen und durch den wilden Osten nach Lübeck zurück zu fahren. Am Fahrkartenautomaten entscheide ich mich spontan zur Dummer-Radfahrer-Nummer und ziehe ausschließlich eine Fahrradkarte und keine Fahrkarte. Wie immer würde ich dann sagen, ich habe gedacht der Fahrer ist da mit drin (wie beim Auto). Wie immer ignoriere ich die Aufforderung zu Schieben und winke freundlich mit meiner Fahrkarte. Keine weiteren Fragen - geht doch. Warum mag ich diese Fähre eigentlich nicht? Dassow, die alte Bahntrasse nach Schöneberg, Natur pur an der Stepenitz, der Osten den ich liebe. An der Hauptstraße in Lüdersdorf gibt es ein kleines unscheinbares Kaffee mit angeschlossenem Frisiersalon namens "Hüftgold" der Name ist Programm. Wer so aussieht wie der Wirt, der hat guten Kuchen, den man  (dritter Versuch) ungesehen bestellen kann. Quark-Himbeere-Irgendwas und nen Pott Kaffee. Alles Kategorie: unbedingt merken und wiederkommen. Der Pinscher döst derweil auf seiner Decke und zeigt deutliche Ermüdungserscheinungen.


Wir entschließen noch nach Reinfeld abzuzweigen. Dann beschließen wir noch nach Bad Oldesloe abzuzweigen, dann beschließen wir....nein mein Beleiter beschließt dann noch bis Hamburg weiter zu fahren. Ich streiche die Segel, die beinahe 170 km waren eine kleine Zumutung für den Hund, wir nehmen die Bahn und Kuchen Nummer vier beim Bahnhofsbäcker. Klar ist: das war nicht mein letzter FNRttC, in Hamburg liegt das Meer ja vor der Häustür.



Montag, 9. Mai 2016

Rückenwind


Rückenwind ist synonym für alles, alles Gute, was einem Radfahrer auf einer Tour widerfahren kann. Auch wenn sicherlich am Ende dieser herrliche Sturm aus östlicher Richtung, der uns zwei Tage lang die Elbe hinab getrieben hat, in Erinnerung bleiben wird, so war es doch sehr viel mehr, was unseren dreitägigen gemeinsamen Fahrradausflug ausmachte.


Kulturelle Landpartie im Wendland, fünfzehn Stunden Sonnenschein täglich, Rapsfelder die wie geöffnete Honigtöpfe riechen, Fliederblühten, Kornweihen, Blumenwiesen, Störche, Flüsse, Seen, maigrüne Wälder, Lämmer auf dem Deich, Maikäfer, Fischschwärme....


...Klosterruinen, heiße Duschen, kuschlige Betten, leckeres Essen, nette Gespräche, Fassbrause und Kuchen, babypopoglatte Radwege, verirrte Babywölkchen, geschäftstüchtige Rebellendörfer, nur so liegen, elegant bewegen, voller Körpereinsatz, treiben lassen, Stehschwäne und Schwimmschwäne, Froschgequake, Nachtspaziergang, nette Menschen. 




Die paar wenigen Unannehmlichkeiten, wie eine gerissene Speiche, ein nicht ganz so üppiges Frühstück am letzten Morgen und der am Ende schmerzende Popo (bei den Menschen die es noch nicht besser wissen und immer noch sitzend durch die Welt radeln) sind nicht der Rede wert. Es war gar so gut, dass ich ab und an dachte, es nicht verdient zu haben und das sicher noch ein dickes Ende komme. Nein so war es nicht, manchmal muss man es einfach geschehen lassen und genießen. 






Und der Pinscher? Der Pinscher hatte Rapsblütenfrei, dem alten Herrn kann man ja nicht mehr alles zumuten. 







Montag, 2. Mai 2016

Ein Hauch von Sommer




Schon beim Morgenspaziergang, der heute, dem gemeinsamen ausgiebigen Ausschlafen geschuldet, kurz vor Mittag statt fand, war der Pinscher wie ausgewechselt. Die feuchte Nase im lauen Wind, der Schritt fast beschwingt, das hatte ich seit vielen Monaten bei meinem von Artrose geplagten altenrnden Hündchen nicht mehr gesehen. Portugiesische Croisants waren schon aus beim Bäcker - dann musste eben das französische Original her. Milchkaffee, Gebäck mit Honig, die digitale Morgenzeitung - der Tag konnte beginnen. 


Nichts großes, eine Runde zur Fähre flussaufwärts schien mir geeignet. Ein wenig auf dem Deich liegen und in den blauen Himmel starren, Ruhe genießen. So einen Deich hat man ja nie für sich alleine, selbst an einem Montag Nachmittag nicht. Egal, nun bin ich ein Drama reicher, das Drama der jungen Frau, die sich 20 m hinter mir nieder ließ, mit ihrer Kreditkarte und dem Harburger Bankangestellten. Das brauchte schon Elan, derart ins Mobilphone zu brüllen. Beim Aufstehen rammte mich fast die erste Schwalbe - huch? Sommer?


In Hoopte gab es Filterkaffee und Mandelhörnchen bei den Russen. Der Pinscher genoss derweil Aufmerksamkeit und hoffte bei Verehrern etwas abstauben zu können. Fährflatrate: 13.03.. 11.04., 02.05. sagen die Stempel. Da werde ich diesen Sommer wohl noch einmal nachlegen müssen. Über die Deiche an der Doven Elbe fuhren wir gemütlich nach Hause, bis mich der Ehrgeiz packt und ich eine Rennradfahrerin vor mir ins Visier nahm. Langsam arbeiteten wir uns heran. Soll ich oder soll ich nicht? Wie stehe ich denn vor dem Pinscher da, wenn sie uns wieder überholen wird? Ich passte einen guten Moment ab und zog davon :)





Dem Pinscher hat es gefallen. Ich hatte nicht geglaubt, dass er je wieder mit solch einer Freude beim Radeln dabei sein wird. Nun liegt er auf dem Kopfkissen und träumt Radfahren. Wußtet ihr eigentlich, dass Hunde von allen Säugetieren die meisten und längsten Traumphasen im Schlaf haben? Frühsommerträume.