Montag, 24. Februar 2014

Am Tag des Herrn



Wir schreiben den Tag des Herrn, also den Tag des Herrn, der in die Pedale tritt, während der Pinscher sich gemütlich im Körbchen fleetzt, den Matthäustag. Die Wetteraussichten waren für die Jahreszeit brillant. 13° C, Südost-Wind und 7 Sonnen am Himmel. Trotzdem fiel das aus dem Bett schälen nicht leicht, und überhaupt, und vielleicht doch einen Zug später?

Bahn fahren
Den GPS-Track hatte ich gestern schon, um eine Ausrede zu eliminieren, auf das Gerät gespielt. Wider Erwarten war der Zug nach Lübeck pünktlich und leer. Die Umsteigezeit war großzügig bemessen, der Zug Richtung Bad Kleinen war noch leerer.  Alles Easy, und vorher macht man sich immer Sorgen. Die einzige Mitfahrerin, eine junge Frau in meinem Alter textete mich zu, während ich eigentlich lieber zum Fenster hinaus geschaut und die Landschaft genossen hätte. "Oh ist der süß .... und ich hab einen Mops .... und der ist auch süß und fahren sie wirklich so weit?" In Schöneberg stieg sie aus und es war ruh! Ich konnte ungestört die Landschaft betrachten und der Pinscher legte sich noch einmal entspannt ab. In Grevesmühlen stiegen wir aus. 

Mecklenburg
Grevesmühlen ist so, wie man sich Grevesmühlen vorstellt, nur ohne Mühlen. Jedenfalls habe ich keine gesehen. Zügig, von gnädigem Rückenwind angetrieben verließen wir die Stadt Richtung Norden. Nach 3 Seen am Wegesrand folgt eine Trink-, Pipi- und Auslaufpause. Die Landschaft meines Lieblingsbundeslandes erscheint heute eher satt denn lieblich. Das Wintergetreide ist in diesem Jahr schon weit gediehen. Der Sandweg, auf dem wir uns gerade befinden erscheint pinschertauglich. Ich ließ Joschi ein gutes Stück neben dem Rad her traben. An einer belebten Kreuzung verschwand er wieder im Körbchen. Glatter Asphalt auf den Radwegen, ruhige Seitenstraßen, ich glaube ich hatte eine gute Streckenwahl getroffen. Nach ca. 15 km erreichten wir östlich von Boltenhagen die Ostsee. Kein Mensch weiß, warum man hier nicht auf der leeren Fahrbahn fahren darf. Stattdessen ist Kurgastslalom auf dem kombinierten Rad-/ Fußweg angesagt. Bei größeren Rentnergruppen klingelte ich freundlich und rechtzeitig. Es passierte dann potentiell zweierlei: Entweder es wurde stockschwingend gepöbelt oder man nahm mein passieren aufgrund des fortgeschrittenen Lebensalters gar nicht wahr. Ich bevorzugte im allgemeinen die zweite Version.

Pinscher am Strand bei Boltenhagen
Gleich hinter Boltenhagen lockte der Strand. Die Strandräuber (Kurtaxeneintreiber) sind noch im Winterschlaf. Seltsam, trotz des schönen Wetters keine Badegäste, nur der Pinscher und ich. Am Strand, wie üblich, ein paar leere Beck´s Flaschen und viel Sand. In angemessener Entfernung zogen vier weiße Schwäne, gefolgt von einer grauen NATO-Fregatte vorbei, ein beschauliches Bild. Trotz Pullover frohr der Pinscher. Ich später auch. Bei nun Gegenwind und bergauf verging das aber ganz schnell. Wir folgten dem Ostseeradweg (Europaradweg R1) gen Westen. Schon in Estland hatten wir einmal das Vergnügen. Dort war der Weg jedoch flach - hier nicht. In stetem Wechsel ging es nun 20 km lang rauf und runter. Da weiß man was man kann. Die Zonengrenze ließ sich auch mehr als 25 Jahre nach dem Mauerfall noch lokalisieren. Im Westen gab es offensichtlich keine Fördergelder für den Radweg.

Großcampingplatzromantik im winterlichen Dornröschenschlaf auf dem Priwall auch die schlechteste Wurstbude der Welt war noch geschlossen. In einem großen Bogen umfuhr ich die "Passat", ein der letzten vier noch existieren "Flying-P-Liner", ein beeindruckendes Schiff. Danach studiere ich den Fahrkartenautomaten für die Priwallfähren. Fahrrad kostet 70 Cent. Da ich keine herrenlos mitfahrenden Fahrräder entdecken konnte, ging ich großzügig davon aus, das der Preis mit Fahrer gemeint war. Schwungvoll donnerte ich auf die Fähre. "Schiiieben!" brüllte es aus dem Off! Der Kopf des Pinschers schoß nach hinten. "Schiiiebehemmung!" brülle ich zurück ohne den Kopf zu drehen, der Kopf des Pinschers schoß nach vorne. Ich wurde nicht weiter behelligt und auch beim Verlassen der Fähre verzichtete ich auf das Schieben. 


Flying-P-Liner
Die Überfahrt dauerte 3 Minuten. 15:15 Uhr - die allerbeste Zeit bei Niederegger rein zu schauen und leistungsstandgemäß ein Stück Marzipan-Sahne-Torte zu verputzen und eine Tasse Milchkaffee dazu. Nach ein paar Fehlversuchen entdeckte mich die Kellnerin am Ende der Tischreihe. "Hier wird nicht bedient, nur dort drüben..." Ich führte meinen im Körbchen am Fahrrad hockenden Pinscher vor und die Sache ließ sich regeln. Der Kuchen war gut. Die Rechnung war......gut, das Trinkgeld war... ausgefallen.  Am Bahnhof wenige hundert Meter weiter wäre meine Tour nun zu Ende gewesen. Der GPS Track auf meinem Gerät auch. Mein letzter spontaner Versuch von Travemünde nach Lübeck zu fahr endete zwei mal übelst auf einer Kuhweide. Damit das heute nicht wieder passieren würde hatte ich den Lübecker Hauptbahnhof mit einem Richtungspfeil markiert. So konnte ich wenigstens sicher sein, in die richtige Richtung zu fahren. Hinter dem Skandinavienkai wurde vor einiger Zeit ein Panoramaweg angelegt. Man hat einen schönen Blick auf die Trave und die Fährschiffe. Panoramawege haben den Nachteil, dass sie meist oben sind. Dieser hier hat noch einen weiteren Nachteil, just oben angekommen geht es sofort wieder steil bergab. Den Pinscher hatte ich vorsorglich ausgeladen. Soll er doch selbst den Berg hoch rennen. Da war doch noch was? Ach ja, den Herrentunnel wollte ich schon immer mal in Augenschein nehmen. Früher gab es hier eine Brücke über die Trave. Bei Schiffsverkehr wurde diese Brücke geöffnet und es gab immer wieder lange Staus. Ein 800m langer mautpflichtiger Tunnel wurde gebaut, ohne Rad und Fußweg. Radfahrer und Fußgänger werden 24 Stunden täglich eingesammelt und per Shuttle-Bus kostenlos durch den Tunnel chauffiert, so steht es im Vertrag. Eine spannende, um nicht zu sagen saudämliche Sache. Mittlerweile hat selbst der private Investor des Tunnels festgestellt, dass das eine furchtbar teure Angelegenheit ist. Eine weitere Röhre zu radeln und laufen wäre sicher, wenn man es mal auf mehr als 4 Jahre betrachtet, günstiger gewesen. Die Tunneldurchfahrt war unspektakulär, aber man will ja mitreden können. Schnurgerade geht es von der anderen Tunnelseite Richtung Altstadt. Guter Radweg, viel lärm und Verkehr. Was soll´s noch 4 km bis zum Bahnhof. Der Regionalexpress nach Hamburg war gerade ausgefahren, auch das kommt vor. Mit einem frischen Kaffe und ein paar Leckerlis für den Pinscher ließ sich eine halbe Stunde warten ganz gut überbrücken. Ein Tag, ganz im Sinne von Pinscher und dem Herrn. 



Sonntag, 23. Februar 2014

1.000

Die ersten 1.000 km im Jahr, das ist immer eine magische Marke. Normalerweise ist es Ende April oder Anfang Mai soweit, früher auch manchmal erst im Juni, dann ist man fit für den Sommer. In diesem Jahr war das anders. Milde Temperaturen, kein Schnee, ein fester Wille und viel Zeit waren das Rezept. So fährt man halt immer wieder mal ein Stückchen und steter Tropfen höhlt bekanntlich den Stein. Für den Pinscher allerdings war es noch etwas zu frisch. Zwei oder drei Mal durfte er ein Stück mitfahren. Unbeweglich im Körbchen sitzen macht keinen Spaß, die Temperaturen sollten schon zweistellig sein. 

Samstag, 22. Februar 2014

Die Abendrunde



Abendrunde, Brot- und Butterrunde, Feierabendtour, Ichhabheutgarkeineidee Runde, also die Runde, die Mann und Hund fährt, wenn man noch etwas Zeit hat, das Wetter in Ordnung ist und der Pinscher noch etwas Bewegung braucht. Kurzum, DIE Runde, die sinnvoll, nützlich und schön ist. Klingt einfach, ist es aber nicht. Wenn man ziemlich genau im Zentrum der zweitgrößten Stadt der Republik lebt, dann benötigt man normalerweise mit einem Drahtesel mindestens eine Stunde, um dort hin zu kommen, wo man es als "grün" bezeichnen würde. Es hat also eine ganze Weile gedauert, bis ich eine zufriedenstellende Lösung, incl. tagesformabhängiger Abwandlungen etabliert hatte. Natürlich könnte ich immer schnell eine Runde um die Alster drehen, ein Genuss ist das jedoch meistens nicht. Aufdemradwegkinderwagenschieber, Möpse an Leinen,  Verpeilte mit Knopf im Ohr, muskelbepackte, hantelschwingende Kampfjogger im Gegenverkehr und bei schönem Wetter bis zu 10-15.000 in etwa Gleichgesinnte, können einem solch eine Alsterrunde schnell vergraulen. Außerdem, bei 7,5 km werde ich nicht mal warm und das mitgeführte Tier auch nicht.

Billwärder Bucht / Kraftwerk Tiefstack
Auf der Landkarte kann man erkennen, dass sich dem Entfliehen aus dem Großstadtgetümmel Richtung Südosten entlang der Bille und der Elbe gute Möglichkeiten bieten. Problem: Ausfallstraßen zur Autobahn Richtung Süden und Ausgedehnte Industriegebiete. Da muss man einfach durch. Hund ins Körbchen und los.
Von der Alster geht es entlang des St. Georger Krankenhauses und durch den Lohmühlenpark bis zum Berliner Tor. Dann wird es lästig laut. Zum Glück ist der Radweg entlang des sechspurigen Heitkampsweg glatt, und breit. Die knapp 2 km bis ich in die Billestraße nach Rothenburgsort einbiege lassen sich sehr zügig fahren. Nach ein paar hundert Metern geht es links auf dem Billhorner Deich und auf einer Brücke über die Bahnstrecke nach Berlin. Gleich hinter der Brücke ist, im Karl Stamm Park, die "Gedenkstätte für den Feuersturm in Rothenburgsort" ein komplett schwarz angestrichenes kleines Haus, das der Bebauung des Stadtteiles vor der vollkommenen Zerstörung im II. Weltkrieg stilisiert. Dort links ab führt der Weg durch eine Schrebergartensiedlung und über ein paar ruhige Seitenstraßen bis zum Ausschläger Billdeich. Hier in der Billwärder Bucht ankern oft Binneschiffe bevor sich auf ihre Fahrt die Elbe aufwärts gehen.  Zur Rechten liegt die Tiefstackschleuse und dahinter das optisch beeindruckende Kohlekraftwerk Tiefstack. Am Ende der Straße umrundet man das Kraftwerk über zwei Brücken und biegt hinter einer nennenswerten Menge aufgestapelter Giftmüllfässer auf den Moorfleet Deich ein. Das war es nun mit dem Stress - ab jetzt kommt schön. Gemütlich, meist mit etwas Rückenwind geht es auf der Deichstraße entlang des Holzhafens, und auch die andere Seite der Straße ist nicht wirklich hässlich.

Holzhafen

Kurz vor der Autobahnunterführung geht, hinter einigen kleinen Werften, eine wenig befahrene Stichstraße ab. Hier kommt der Pinscher erstmalig zum Einsatz. Schon bei der Annäherung an die Abzweigung wird er ganz unruhig. Voller Elan spurtet er die Straße hinab, ich kann kaum folgen. Am Ende, wird er dann oft von einer riesigen Deutschen Doge in Empfang genommen. Kein Problem, wer Chef ist klärt Joschi meist ganz schnell und verbindlich. Kurze Verschnaufpause, dann geht es auf dem Deich, zur Linken ein Golfplatz, bis Moorfleet. Von hier aus kann man die Tour bei Bedarf wunderbar ausdehnen. Geradeaus zur Doven Elbe und zum Eichbaumsee, rechts ins Spadenland zum Gemüse kaufen oder auf die alte Marschbahntrasse Richtung Zollenspieker. Ich fahre rechts, rechts, und biege vor der Tatenberger Schleuse hinter den Moorfleeter Hauptdeich entlang der Elbe ein. Die Elbe kann man wegen des Deiches leider nicht sehen, aber auf der Landseite ist es auch nicht hässlich. Einem Vogelschutzgebiet, folgt erneut der Holzhafen (diesmal von der anderen Seite) und die Wasserkunst, das ehemalige Wasserwerk Kaltehofe.





Mittwoch, 19. Februar 2014

Oneway Norderstedt



Man muss sich schon ein bisschen überwinden, bei trübem Spätwinterwetter zu einer längeren Tour aufzubrechen. Auch wenn es trocken ist, nach spätestens 30 km wird man bei Temperaturen knapp über dem Gefrierpunkt von einer gewissen Kälte befallen auch wenn man unter dem Berg von Kleidungstücken schwitzt. Dem Pinscher kann ich, mangels warmem Fell, so lange Touren noch nicht zumuten.

Damit die Überwindung nicht schon an der Bahnfahrt scheitert, habe ich mich für die "light" Version entschieden. U1, im Viertelstundentackt ab Hamburg Hauptbahnhof zur Endstation nach Norderstedt-Mitte. Schlappe 3 Euro zahlt man für ein Ticket und steht fast im Grünen, das Zweirad fährt kostenlos mit und zur Mittagszeit sind die Bahnen recht leer. Das ist ohne großen Aufwand machbar.

Auf den kleinen Wegen am Oberlauf der Alster dürfte es heute matschig sein. Auf festem Asphalt fahren ist also angesagt. Die Streckenplanung geht dank GPSIES wundervoll von der Hand. Schnell auf das GPS-Gerät spielen, noch einen Schlag Luft in die Reifen, einen Spritzer Fett auf die Kette, Werkzeug einpacken und das Zweirad ist startklar. Komplizierter ist die Auswahl der richtigen Kleidung. Bei dem Wetter bevorzuge ich mein Ganzkörperkondom (Sams genannt, lediglich die Lila punkte fehlen), Sportunterwäsche, Fahrradtrikot, Steppjacke, winddichte Mütze unter dem Helm, Halstuch und, man weiß ja nie, dicke und dünne Handschuhe. Wollsocken in den Fahrradschuhen sind klar, aber ich hätte zwei Paar anziehen sollen.

Am Bahnhof Norderstedt warte ich schon Winddicht verpackt auf das GPS-Signal. Es führt mich zunächst Richtung Norden entlang der Gleise der AKN, durch ein Industriegebiet und über ruhige Nebenstraßen. Es ist fast Windstill. Ich gleite weiter über schmale und wenig befahrenen Kreisstraßen nach Wilstdt und über Fahrenholz nach Nahfurth. Dort biege ich Richtung Süden auf die Segeberger Straße ab. Viel Verkehr, man bietet eine passablen Zweirichtungsradweg. Nach gut zwei Kilometern auf der rechten Seite einer meiner Lieblingsbäckereien im Hamburger Umland (ich habe mehrere davon, aber diese rangiert ganz oben). Da kann man auch mal etwas Werbung für machen, der Kuchen ist gigantisch in jeder Hinsicht.

oberer Alsterlauf

Nach angemessener Pause geht es weiter über Nebenstraßen Richtung Bargfeld-Stegen. Von dort schwenke ich Richtung Süden in den schwarzen Norden von Hamburg (schwarz wegen der unvorstellbar vielen CDU Wähler), hinab bis zur Alster und dann doch noch über einige sumpfige Waldwege Richtung Innenstadt. Durch das rote Barmbek (rot wegen der unvorstellbar vielen roten Ziegelsteine), vorbei am Museum der Arbeit bist zur Außenalster und dann nach einer Runde durch´s Dorf nach Hause. 61 Kilometer sagt der Computer, die Knie schmerzen etwas, die Füße sind Eisblöcke - aber schön war die erste Oneway-Tour 2014 und zu Hause erwartet mich wedelnd der Pinscher.