Montag, 29. September 2014

Silberner September





Mit dem ersten Augenaufschlag war klar, heute muss es die Ostsee sein, und dass wir noch genau 58 Minuten Zeit hätten bis der Zug Richtung Lübeck abführe, erkundete ich bei der ersten Tasse Kaffee im Bett. Der Pinscher räkelte sich noch irgendwo bei den Füßen, also bei meinen Füßen, und blinzelte. Der Regionalexpress nach Lübeck hatte Verspätung und die Regionalbahn nach Neustadt fuhr heute nur in halber Länge, was soviel heißt wie doppelt voll. Grimmig beobachtete mancher wie ich mich nun auch noch hinein quetschte, aber ein Pinscher auf dem Gepäckträger löst die Stimmung oft spontan. 


Goldener Oktober war das noch nicht, ich nenne es Silberner September. Über der Ostsee hing feiner silberner Nebel, der hell war und die Farben verschluckt. Die Sonne mühte sich nach Kräften, jedoch den ganzen Tag vergebens. Ich verfuhr mich zunächst nach links, dann nach rechts, aber heute war es mir egal, wir hatten alle Zeit der Welt. Kühle Luft an den nackten Beinen, Wind in den Härchen und ein bisschen von der fahlen Sonne gestreichelt, ich liebe es und auch der Pinscher im Fond erschiene mir interessiert vergnügt. Frühstück in Sierksdorf. Der einzige Tisch mit Ostseeblick beim Bäcker war schon besetzt. Ich fragte höflich, ob wir uns dazu setzen können. Wir sprachen über Lebenszufriedenheit, das Wetter und das Sein als solches - ich vergaß das Ostseeblicken. 


Timmendorf, Hermannshöhe, Travemünde. Auf der neuen Seebrücke in Niendorf sonnten wir uns eine halbe Stunde. Der Weg zur Mole in Travemünde wurde offensichtlich neu geteert. Die gesamte Strandräuberschafft hatte das Jahr schon abgeschrieben. Strandkörbe wurden überall ins Winterquartier verfrachtet und Boote aus dem Wasser gezogen. Noch einmal im Sand liegen - nein, der Herbst ist nicht aufzuhalten, auch in diesem Jahr nicht. Würde ich der Marzipantorte bei Niederegger widerstehen können - nein, würde ich nicht. 


Mit Schwung enterten wir die Priwallfähre. "Schiiiiieben!!!" tönte es wie immer von hinten. "Waaas!" rief ich wie immer zurück. Auf eine Fahrkarte hatte ich dieses Mal verzichtet, macht die halbe Marzipantorte. Wir umschiffen den Yachthafen und die dümpelnde "Passat" im frühen Abendlicht. Noch einen Blick auf die Ostsee hinaus, noch einmal durchatmen. Dassow, Schönberg, Lüdersdorf - ich liebe diese Orte, obwohl die Straßen übelst gepflaster sind. Hier ist noch ein kleines bisschen DDR erhalten geblieben. 


Ab und zu halten wir am Wegesrand, schauen uns Kühe auf der Weide oder reife Hagebutten an. In Lübeck wurde es langsam dunkel. Ich passiere eine Demonstration gegen irgendwas und plötzlich sprangt mir ein Uniformierter in den Weg. "Das ist eine Fußgängerzone!" herrscht er mich an. "Oh, Entschuldigung, ich öhmm, ich bin nicht hier aus Lüneburg, ich suche den weg zum Bahnhof!" und mühte mich dabei um einen deutlich vernehmbaren rheinischen Akzent - funktioniert fast immer, dieser Trick :)









Dienstag, 16. September 2014

Levada Nova - Die Wanderschnecken verabschieden sich von der Atlantikinsel



Einmal noch eine große Levada Wanderung auf Madeira, das wäre nett, aber das Wetter ärgerte uns gewaltig. Gestern Dauerregen, heute elegant aussehende Schauern, die in Reih und Glied vom Meer herüber Richtung Festland marschieren und mal hier und mal dort die Insel gossen. Hinein geraten möchte man da indes nicht, viel zu heftig sind die Güsse und Regenbekleidung bei diesen Temperaturen ist auch eher eine theoretische Überlegung. 


Nachdem wir uns, dem Text des Reiseführers getreu folgend, fünf mal an der selben Stelle folgenschwer verfahren hatten, beschlossen wir, den Text  endlich wörtlich zu nehmen und befanden uns sodann auf dem richtigen Weg zum Ausgangspunkt unserer Wanderung. Wir hatten etwas Muße, da vor uns ein Linienbus fuhr, der außer an Bushaltestellen quasi an jeder Ecke anhielt und Menschen ausspuckte. Die Anfahrhilfe moderner Autos ist eine feine Sache, wenn man erst einmal verstanden hat wie so etwas funktioniert und warum es manchmal nicht funktioniert und warum es auch funktioniert, wenn es gar nicht funktionieren soll. 


Der Levada Nova waren wir schon einmal einige Kilometer mit mäßiger Begeisterung gefolgt. Heute sollte das besser werden. Ein Tunnel stand auf dem Programm und man solle wohl auf der gesamten Strecke einen guten Blick in das Tal des Ribera Brava und auf den Atlantik haben. Nachdem wir ein paar Bananenplantagen hinter uns gelassen hatten, eröffnete sich auch gleich ein großartiger Blick ins Tal. Alleine die Levada schwächelte ein wenig. Das Wasser stand, oder war erst gar nicht vorhanden. Das gestrige Unwetter schien irgendwo einen größeren Schaden verursacht zu haben. 


Im nächsten Dorf winkte uns eine alte Frau in Kittelschürze vom Weg an der Levada zu ihrem Häusschen ein paar Meter unterhalb. Sie bot uns Kaktusfrüchte, die ein wenig wie Birnen schmeckten und Bananenpassionsfrüchte an. Sie habe auch mal einen Hund gehabt und bedeutete mit ihren Armen gigantische Ausmaße, der sei am Berg gestorben, die Nachbarn seien Deutsche, sie habe einen Garten und er ginge angeln. In Funchal würde man klauen und Drogen nehmen und wir sollen aufpassen wegen der Erdrutsche. Dies alles natürlich auf portugisisch und ohne das wir tatsächlich auch nur ein Wort dieser Sprache verstehen würden - aber genau das hat sie ganz bestimmt gesagt. Ich gab ihr zwei Euro für die Früchte und wir zogen weiter. 


Es begann dann tatsächlich heftiger zu regnen und wir fanden zunächst Schutz unter einer Art riesiger Rhabarberblätter und später auf einer Terrasse bei Leuten die wohl gerade einkaufen waren. Wo wir schon mal da waren, konnten wir uns auch kurz auf ein Picknick einlassen. Gallao in Tüten, Banane und Müsliriegel wie immer. Wir beschlossen dann irgendwann weiter zu gehen. Auf das Wetter hatten wir keinen Einfluss und bisher hatten wir auch immer Glück. Genau - nach ein paar Metern hörte der Regen auch auf und der feuchte Eukalyptuswald den wir gerade streiften roch wie eine Hustenbonbontüte. 


Eine Schwarzbunte Ziege und ein paar streunende Hunde erwarteten uns, neben einem grandiosen Blick auf den Atlantik aus 500 m Höhe, am Ende unseres Wanderweges. Wir setzten uns ein wenig abseits und verputzten weitere Wegzehrung. Wie ärgerlich, auch dieses mal hieß es einfach kehrt machen und den gleichen Weg zurück gehen. Ein kleiner Trost ist die veränderte Perspektive auf dem Rückweg. 


In Ponta do Sol fanden wir ein Restaurant mit angemessenem Meerblick für unser heutiges Abendmal. Einen dazu passenden Sonnenuntergang hatte ich gestern schon vorbestellt und der Pinscher war sehr davon angetan, dass heute Abend sogar Fleisch mit Knochen auf der Speisekarte standen. 






Samstag, 13. September 2014

Caldeirão Verde de Baixo - ein bisschen grüne Hölle



Verschlafen, lange gefrühstückt, unklare Wetterlage, die Anfahrt quer über den Höhenzug unterschätzt, Kaffeedurst am Startpunkt - um das Ende vorweg zu nehmen, wir Wanderschnecken kamen kamen erst aus der grünen Hölle zurück als die Dämmerung schon mit der Insel fertig war.




50 km Anfahrt klingt erst einmal nicht so schlimm - wäre da nicht der Berg, wobei DER Berg die ganze Insel ist und man sich ständig auch in der Horizontalen bewegen muss. Selbst eine Küstenstraße gibt es hier nicht. Bewegt man sich entlang der Küste, so geschieht dies meist auf 200 - 800m Höhe.


Von der Bergfahrt ausgezehrt war uns erst einmal nach Kaffee zu Mute. In der Snackbar bot man zwar dazu keinen Kuchen an, jedoch Sandwich "original Madieran" - warmes Kartoffelbrot mit viel zu salzigem Käse und versalzenem Schinken - in der Gesamtkomposition jedoch lecker. Nun aber los.



Der zunächst noch rollatorgeeignete breite Waldweg wurde, nachdem wir ein schmuckes Fosthaus passiert hatten schnell enger. Knorrige Wurzeln am Boden forderten Aufmerksamkeit. Leider vernachlässigte ich den Kopfraum. Dicke herunterhängende Äste waren auf Durchschnittsportugiesenhöhe gekappt worden. Zwei tiefe Kerben auf der Stirn zeichnen mich nun als hochgewachsenen Nordeuropäer aus.



Die alte aus Stein gemauerte Levada führt vorbei an blauen Hortensienbüschen und Avokadopflanzen hinein in einen kühlen feuchten Urwald. Die Abhänge sind moosbewachsen und mit allerlei Farnen bestanden. Der Weg wird nun auch oftmals rutschig und lädt wenig zum verschnaufen ein. 


Nach gut zwei Stunden Wanderung hat sich der Wanderstieg fast komplett auf die Begrenzungsmauer der Levada verengt. Entgegen kommende Wanderer vorbei lassen wird da manchmal zu einem schwierigen Balanceakt. Die Abhangseite, man mag gar nicht so genau wissen wie viele hundert Meter es dort hinab geht und hält seinen Blick gerne in der Horizontalen, ist nun fast durchgehend durch ein dünnes Stahlseil gesichert. 



Der Pinscher schlägt sich wacker. Ein wenig mulmig ist mir, bei Gegenverkehr. "Nicht anfassen! - don´t touch!" der Standartspruch. Hund an der Leine heißt leider auch immer eine Hand weniger zur Eigensicherung. Ich vertraue meist auf Joschis Erfahrung und Mut, schwindelfrei ist der Kleine ohnehin. 




Noch gut drei Stunden erreichen wir den Ersten von fünf Levadatunneln. Jeder für sich war eine kleine Herausforderung. Eng und flach, verwinkelt, nass. Der Pinscher stand bis zum Bauch im schlammigen Wasser. Einer der Tunnel hatte in der Mitte ein Seitenfenster, das einen großartigen Blick auf das tiefe Tal erlaubte. 




Eine Stunde nach der geplanten Zeit erreichten wir den Caldeirão Verde, den Grünen Kessel. Man musste den Kopf schon sehr weit in den Nacken nehmen, um etwas Himmel zu sehen. Aus unerfindlicher Höhe stürzte ein kleiner Wasserfall entlang der grünen Felswände ins Tal. Wir waren alleine hier draußen und wurden fast etwas ehrfürchtig angesichts dessen, was die Natur hier geschaffen hatte. 



Allerdings war uns die Zeit davon gelaufen, was uns angesichts des nicht gerade einfachen Terrains etwas sorgen bereitete. Eine Stunde vor der Voraussichtlichen Rückkehr zum Auto würde die Sonne unter gehen. Bis dahin müssten wir auf halbwegs sicherem Boden sein. Die Müsli-Wasser-Hundeleckerlipause fiel entsprechend kurz aus und wir machten uns auf den Rückweg. 



Kein Mensch im Wald, keine Vogelstimme, kein Wind, kein Geräusch außer unsere Schritte und das tippeln des Pinschers. Wir blieben gut in der Zeit und erst am Forsthaus wurde es richtig dunkel. Die Gelegenheit noch einen dicken Strauß Hortensien für die Vase zu pflücken und noch einmal kurz zu verschnaufen. 



Fast 22 Uhr war es, als wir in das Auto stiegen, in der stillen Hoffnung, in Santana, unten am Berg, noch etwas essbares zu bekommen. Auch der Pinscher war nach fast 20 km über Stock und Stein redlich erschöpft. Die Hoffnung auf ein ausgedehntes Abendmal erfüllte sich leider nur für den Pinscher. Wir begnügten uns mit Obst, dass wir am Mittag bei einem Händler am Straßenrand gekauft hatten. 




Donnerstag, 11. September 2014

Der Hausberg - never walk alone


Da sitzt man nun in solch einem Urlaubsort, zugegeben, ein kleines Paradies, aus dem kein Weg hinaus führt. Nur die Autostraße durch einen endlosen Tunnel.


Kein Weg? Fast kein Weg! Zugegeben, man muss schon ein wenig verrückt sein, der einzige Fußweg der aus dem Jardim do Mar hinaus führt ist ein knapp 2 km langer Aufstieg in das ca. 600m höher liegende Prazeres. Die durchschnittliche Steigung kann man sich leicht ausrechnen. Eine Schautafel in der Ortsmitte sagt, ...slippery, never walk alone und öhm...der Rest ist portugiesisch. 


Niemals würde ich alleine gehen, schließlich habe ich ja den Pinscher. Der jedoch muss schon auf dem steilen Weg zum Ortsrand, vorbei an der wundervoll restaurierten Wassermühle und an dem Schaukasten mit dem ausgestellten Tragetuch mehrmals auf Spur gebracht werden. In Tragetüchern wurden, so kann man sogar auf deutsch lesen, Reich, Kranke und der dicke Pfarrer von je zwei Trägern auf den Berg getragen. Auf 100 m Meereshöhe, an einem Picknickplatz mit Marienbild hatte der Pinscher sich mit seinem Schicksal abgefunden. Wir kletterten zunächst zwischen Bananenpflanzen und Weinranken hinauf. Weiter oben wurde nur noch Zuckerrohr, das den Weg überrankte und zeitweise einen richtigen Tunnel bildete, angebaut. 


Ich pflückte mir eine Kaktusfeige - ein Fehler, den Rest des Aufstieges war ich damit beschäftigt die kleinen gelben biestigen Stacheln aus Fingern und Daumen zu zupfen. Immer wieder blieben wir keuchend stehen, längst schweißgetränkt. Mein Navigationsgerät zeigte 250 m Höhe an, als ich von hinten ein keuchen vernahm. Ein junger knochiger Portugiese mit nacktem Oberkörper, Trinkrucksack und Kletterschuhen raste an uns vorbei. Im Schlepptau Maria, ein zottiger, kleiner, schwarzer Irgendwashund. Maria begrüßte Joschi knapp und flitzte  dann ihrem Herrchen hinterher. Never walk alone! Die beiden machten das hier wohl nicht zum ersten Mal. 


Der Weg war steinig und feucht. Ein Blick auf das Meer verhieß nichts gutes und ich erinnerte mich an die Warnung auf dem Dorfplatz. Hinunter gehen erschien mir deutlich gefährlicher als der Aufstieg, gerade wenn es regnen würde. An einer Tankstelle in Prazeres orderte ich ein Taxi und eine eiskalte Cola. 600 Höhenmeter in 75min - da steckt auch nach mehr als 10 Jahren Hamburg noch eine Portion Eifel drin. 


Der Pinscher allerdings war für diesen Tag erledigt. 






Mittwoch, 10. September 2014

Pinscher auf dem Mond




Die äußerste östliche Landspitze Madeiras will so gar nicht zur Blumeninsel passe. Zwar bergig wie der Rest, aber unwirklich kahl sieht es hier aus. Man fragt sich, ob wohl die ganze Insel so aussehen würde, hätten Menschen nicht seit Hunderten Jahren Bewässerungskanäle in den Stein gehauen. 


Ganz so trist wie gerade beschrieben ist es hier im Osten natürlich nicht. Sehr wohl wächst eine Vielfalt von Pflanzen auf dem kargen steinigen Boden und Geologen dürfte das Herz auf gehen im Anblick der vielen Gesteinsformationen, die nicht nur ausgesprochen bunt sind, sondern auch veranschaulichen mit welcher spielerischen Leichtigkeit der Vulkan Schicht um Schicht von der Horizontalen in die Vertikale gebracht hat. 


Mensch kommt sich indes sehr klein vor, in dieser Landschaft. Frauchen maulte gleich, die Landschaft sei nichts für ihr Gemüt, aber der Pinscher stratzte noch tapfer mit. Zwar ist er wohl schwindelfrei und auch recht trittsicher unterwegs, was wohl eine Grundvoraussetzung für solch eine Tour mit Hund ist, jedoch waren hier viele Wanderer mit Stöcken unterwegs. Das bedroht den Pinscher gewissermaßen und es gibt leider am Hang keine Ausweichmöglichkeiten. Nachdem eine entgegenkommende Wanderin auch auf das dritte "NEIN NICHT ANFASSEN!" keine Reaktion zeigte, musste ich den Pinscher auf den Arm nehmen. 


Im direkten Angesicht des Pico do Furado beschlossen Frauchen und Pinscher dann, den Rückweg anzutreten. Der Pico blufft. Ich muss zugegen, der Aufstieg sieht gruselig aus, aber es sind nur knapp 200 m von der tosenden See bis zum Gipfel. Der größere Feind ist der starke Wind oben am Gipfel. 



Die Aussicht indes ist Grandios. Richtung Osten blickt man auf zwei vorgelagerte Inseln mit einem kleinen Leuchtturm an der Spitze. Im Süden liegen die Ilhas Desertas, zwei unbewohnte hoch in den Himmel ragende Felsen im Meer. Beim Blick zurück sieht man die langgestreckte steinige Halbinsel und weiter hinten die Landebahn des Flughafens. Außer mir hatte sich nur noch ein junges französisches Paar bis hier draußen vorgeschlagen. Picknickzeit! - Das fanden auch die Smaragdeidechsen. Keck sprangen sie auf meine Hand um vom Müsliriegel ab zu beißen und sie scheuten auch nicht davor zurück, den Rucksack genauestens nach mitgebrachten Nahrungsmitteln zu untersuchen. Diese putzigen neugierigen Biester lenkten sogar mühelos vom grandiosen Ausblick ab. 


Der Rückweg war einsam. Meditatives klettern, nur ab und an hörte man einen der grünen Madeirafinken oder einen Seevogel - aber es war irgendwie doch wundervoll, mit sich alleine zu sein in dieser Landschaft. 









Madeirawetter


unberechenbares Madeirawetter

Eigentlich  ist der Wetterbericht seit Wochen immer gleich. Auf Madeira scheint die Sonne ganztägig bei Temperaturen zwischen 26 und 28° Celisus. Es ist quasi windstill und es regnet mit einer Wahrscheinlichkeit von +/- 50 Prozent. Nachts wird es dunkel und 5° kühler (Punkt) und wunderbar denkste - ist ab er nicht so. In Wahrheit ist das Wetter auf Madeira ein Biest. Dieser kleine Landflecken mitten im Atlantik, nicht größer als das Gebiet der Freien- und Hansestadt Hamburg, hat unzählige Wetterzonen und das Wetter treibt hier täglich seien Kapriolen. Man stelle sich nur einmal vor, man stünde mit dem Auto auf Meereshöhe an der Elbe in Wilhelmsburg und führe dann 20 min steil bergauf um in etwa an der Außenalster auf der Höhe von Davos zu sein. Noch Fragen zum Wetter? 

Paul da Serra Windpark

Während es hier unten am Meer sonnig warm und leider auch durchweg viel zu schwül ist, herrscht im Eukalyptuswald nördlich der Bergdörfer ein ganz angenehmes Klima und oben auf der Hochebenen, die komplett 1.000 Meter überragt ist es angenehm in der Sonne aber sofort kalt, wenn der Berg im Nebel in einer Wolke verschwindet. Stellenweise kommen dann noch die 50% Regenwahrscheinlichkeit ins Spiel, dann sieht man eine Regenwand auf sich zu kommen und es schüttet kurz aber heftig, wie in den Tropen. 



Zwei mal hatte uns das Bergwetter nun schon ein Schnippchen geschlagen, zwei mal waren wir in eine dichten Wolke aus dem Auto gestiegen und mussten unser Wandervorhaben abbrechen. Von unserem zu Hause auf am Meer kann man das Wolkentreiben dort oben leider nicht beobachten, aber auch heute konnten wir schon auf halber Höhe erahnen, dass sich dort nichts gutes zusammengebraut hatte. Aus diesem Grund beschlossen wir ganz pragmatisch unten zu bleiben und der Levada Nova, die sich auf halbe Höhe über weite Teile der Insel entlang zieht, ein Stück entlang zu laufen. 

Levada Nova

Der Weg entlang der breiten  Betonrinne war komfortabel, mit für die Insel üblicher Blumenpracht gesäumt, jedoch gab es keine Forellen, das Wasser erschien mir zu trüb dafür. Nach einer langgezogenen Kurve verließ die Levada den Ort Prazeres und verschwand in einem hohen Eukalyptuswald. Ab und an gab  der dichte Bewuchs einen Blick auf den weit unten liegenden blauen Atlantik frei. Schön war es, ruhig, aber auch etwas langweilig. Kein Tunnel, keine schwindelerregende Höhe, einfach nur schön. Selbst der Pinscher trottete gelangweilt neben uns her. 

Eukalyptuswald

An einer Biegung, nach gut zwei Stunden Fußweg, konnte man die Bergregion einsehen. Blau, keine Wolke zu sehen. Wir rechneten kurz: zwei Stunden zurück, eine halbe Stunde Auffahrt, zwei Stunden wandern, eine halbe Stunde Wanderschneckenreserve, das würde noch passen bis Sonnenuntergang.










Paul da Serra heißt die Hochebene der Insel, Pico Ruivo der Berg, den wir auf unserer Kurzwanderung erklimmen wollten. Nachdem wir den im Wanderführer angegebenen Parkplatz gefunden hatten folgten wir einer kleinen steinernen Levadarinne ein paar hundert Meter durch interessante Hochgebirgsvegetation geradewegs auf den Berg zu.

Hochgebirgsvegetation

Die Rinne verschwand in einem winzigen dunklen Nadelwald, ein Miniaturschwarzwald vor der Küste Afrikas. Vorbei an einem mit fließend Wasser und Grillöfen gut ausgestatteten Picknickplatz, der Madeirenser neigt zum Picknicken, gelangten wir zu einem Wassertank und zum Ende der Levadarinne. Nun ragte der Pico Ruivo vor uns kegelförmig aus der Ebene auf. Als Weg diente ein ausgewaschenes Bachbett. Der Aufstieg war beschwerhrlich aber lohnend.

Pico Ruivo do Paul da Serra

Auf dem Gipfel gab es einen Vermessungspunkt an dem wir rasteten. Nach Norden viel der Berg steil zur Küste ab und Wolkenfetzen trieben immer wieder den Abgrund hinauf. Nach Osten erhob sich hinter einem Windpark das zentrale Bergmassiv der Insel und nach Süden und Westen erstreckte sich die Paul da Serra.

Zentralgebirge Madeira

Kein Mensch weit und breit, göttliche Ruhe, ganz nah am Himmel und weit über den Wolken. Fast hätten wir die Zeit vergessen. Selbst der Pinscher war tiefenentspannt. Er hatte es sich im hochsommerlich verbrannten Gras gemütlich gemacht. Erst mit schon schwindendem Tageslicht erreichten wir das Auto - mit Bärenhunger. Zeit für das verdiente Abendessen. 

tiefenentspannter Pinscher






Samstag, 6. September 2014

Der Pinscher und das Meer - whale watching


Wie schon in Norwegen verbietet auch in Portugal irgend ein Gesetz Pinschern das beobachten von Walen in freier Natur. Während wir vergangenes Jahr einen Pinschersitter engagieren mussten, war man in Portugal durchaus gewillt, das Gesetzt etwas großzügiger auszulegen. Wenn der Pinscher, so lange andere Boote in Sicht waren, brav in seinem Körbchen verharren würde und erst draußen auf hoher See hinaus gelassen würde, dann dürfe er mitkommen. 




Pünktlich, um zwanzig vor fünf waren wir zur Einweisung im Hafen von Calheta. Unser Schiff: die 1964 gebaute Ribeira Brava, ein Fischerboot aus Holz, 13 Meter lang, unser Kapitän: Sr. Leis, ein hagerer, erfahrener portugiesischer Fischer, Frau vom Fach: Fatima, Naturpädagogin , 12 Mann und Frau Besatzung und ein Pinscher. Sprache an Bord: Zeichensprache zwischen Sr. Leis und Fatima, sowie deutsch - achja, der Chef, der Chef der Firma Lobosonda saß mit seinem Fernrohr und Mobiltelefon bewaffnet 500m über uns auf der Klippe und hielt ausschau nach den Meeressäugern. 

seekranker Pinscher


Nach dem verlassen der schützenden Hafenmauern nahm das Vergnügen seinen Lauf. Die durchaus gut motorisierte hölzerne Nussschale fuhr tapfer die Wellenberge hinauf und wieder herunter. Was von Ufer aus ganz harmlos aussah ging jetzt schon ein wenig durch den Magen. Der Pinscher lugte nur Kurz aus seiner schützenden Tasche hervor und verkroch sich gleich wieder. Er war dann auch der Erste, aber nicht der Einzige, den die Seekrankheit übermannte. Sr. Leis telefoniert immer wieder mit dem Chef hoch oben auf dem Berg. An Steuerbord schwamm eine große Meeresschildkröte vorbei, die dann aber schnell abtauchte. 30 Augen Tasteten das Meer nach Unregelmäßigkeiten ab, wenigstens Delfine wollten wir doch sehen.


Nach 1 1/4 Stunde rief Fatima, sie habe einen Wal nahe der Küstenlinie blasen sehen. Sr. Leis warf das Ruder herum und steuerte Richtung Insel zurück. Ab nun wurde mir ziemlich übel, was wohl am veränderten Wellenrhythmus lag. Nach kurzer Zeit konnten wir alle den Wal sehen. Ein Breitwal, verkündete Fatima, ein ausgewachsenes Exemplar, das auf Beutefang der Küste Richtung Nordosten folgte. Der Wal holte mehrere Male Luft um dann für eine Weile in der Tiefe zu verschwinden und kleine Fische und Krebstiere mit seinen Barten aus dem Wasser zu fischen. Nach vier bis fünf Minuten tauchte er dann wieder auf um erneut Luft zu holen. Breitwale tauchen nur 200 - 300 m hinab, deswegen sind sie auch häufig in Küstennähe zu beobachten. Wo der Wal allerdings das nächste Mal auftaucht, kann man nicht mit Sicherheit sagen. Wir hielten den Kurs und hatten großes Glück, der Wal tauchte gleich neben unserem kleinen Boot auf und einmal darunter hinweg, so dass man von oben seine beeindruckende Größe und die Schönheit dieses Riesens sehen konnte. 


Noch ein letztes Mal warteten wir auf den Wal, bevor Sr. Leis das Boot wieder Richtung Hafen steuerte. Mir war verdammt übel jetzt und auch der Pinscher war sichtbar erleichter, wieder festen Boden unter den Füßen zu haben. Aber schön war´s, Sabine hat sich gleich zur nächsten Wahlewatchingtour angemeldet, der Pinscher und ich werden es dann vorziehen vom Land aus zuzuschauen.