Samstag, 29. April 2017

Einmal um die ganze Welt...

...und die Taschen voller Geld" sang Karel Gott dereinst 1967. Es war furchtbar - also er sang wie immer furchtbar und es erschien mir auch furchtbar weit. Das mit den "Taschen voller Geld" ist möglicherweise auch nicht die beste Idee, jedenfalls dann nicht, wenn man sich mit eigenen Kräften um die Erde bewegen will. Geldbündel in der Tasche verursachen Druckstellen und schlimmstenfalls rauben sie die Motivation. Ganz nebenbei will Geld ja auch verdient werden. Da fehlt am Ende die Zeit fürs Weltumrunden. 


Ein paar Dinge habe ich genau richtig gemacht in meinem Leben, z.B die Sache mit dem Geld und der Zeit. Nichts in der Tasche, aber um die Welt geradelt. Just heute zum zweiten Mal rund seit 2002. "Das Leben ist wie Schokoladeneis, isst man es auf, ist es weg, isst man es nicht auf, ist es auch irgendwann weg" philosophierte Charlie Brown. Recht hatte er. 


80.000 km, 2702 mal auf 9 verschiedene Fahrräder gestiegen, 4610 Stunden im Sattel gesessen, 7 Tonnen Kohlendioxid eingespart - keinen einzigen Meter bereut. Ich radelte am Nordkap und an wilden finnischen Flüssen, in Sibiren und auf alten spanischen Bahntrassen, am azurfarbenen Mittelmeer, ganz im Osten an der Ostsee, am Atlantik und auf den Deichen der Wurster Nordseeküste. Irgendwie war alles schön, aber ich liebe unser plattes Land im Norden. Wenn man viel rum kommt, dann weiß man welch Privileg es ist, ein plattes Land vor der Haustür zu haben. 


Der Pinscher war viele Jahre mein treuer Begleiter. Nie gemurrt, immer freudig dabei, nebenher gerast und als Navigator gut aufgepasst. Jetzt ist er alt und krank. Radtouren wären ein Tortur für ihn, ja das ganze Leben wird ihm langsam zur Tortur. Nun darf er tun, was er noch gerne tut - liegen. Wie war das doch gleich mit dem Schokoladeneis? Wir haben Unmengen davon gegessen. 





Sonntag, 16. April 2017

Kaffeefreie Zonen und alte Freundschaften


Damals, als wir noch dicke Freunde waren, da war es noch die Zone. Weit weg war das, ganz auf der anderen Seite, drüben eben, Deutschland hätten wir das nicht genannt und der Mond erschien uns irgendwie näher. Niemand hätte ernsthaft damit gerechnet, dass sich das auch nur ansatzweise ändern könnte.


Fast 30 Jahre später, aus Drüben war längst Hüben geworden, man trifft sich zufällig auf der Straße: "Soso, du fährst auch noch Fahrrad" - "Aha!" - "Schon mal im Osten gewesen?" - "Nee, da hört man ja nix gutes." - "Ach Quatsch, das ist doch gar keiner mehr, dat is wunderbar Drüben!" - "Sollen wir mal?" - "Jo, könnten wir mal!" 
Mal wurde dann schnell ganz konkret, auch wenn es noch vier Monate hin war. Die Vorfreude stieg kontinuierlich und Anfang April, eine Woche vor Ostern,  war es dann so weit. Kurze Einweisung in die Gepflogenheiten des Nordens Flachland, Frontalwind, Franzbrötchen (Kraftspender für Steigungen bis 5 Höhenmeter) Das Wetterversprach erträglich zu bleiben, mit Konzentration allem Schönen auf den Sonntag. Bei vorteilhaftem Rückenwind ließen wir uns die Elbe hinauf Richtung Osten treiben. Vier Tage sollte unsere Tour an Elbe, Elde und Ostsee dauern.


Selbst wenn man aus der sehr dünn besiedelten Eifel stammt, empfindet man Mecklenburg spontan als menschenleer und das ist es auch, was die Gegend so reizvoll macht. Nicht selten wähnt man sich schon in dein Weiten Skandinaviens auf den einsamen Landstraßen. Doch zurück an die Elbe. 125 km bis Dömitz, das sollte unsere erste Etappe sein. Wir wechselten das Elbufer mehrmals um auf der radverkehrsgünstigsten Seite zu fahren, schließlich waren wir noch im mir bekannten Terrain. 


Jenseits der Hoopter Elbfähre war die Kaffeedichte mau. Die Pforten des Privelacker Paradiesgartens waren mit dicken Fahrradschlössern gegen Eindringlinge gesichert. Erst kurz vor unserem Etappenziel, wurden wir  in der Dorfrepublik Rüterberg fündig. Kaffee und selbstgebackenen Kuchen satt, und auf Anfrage wurde uns gerne die Geschichte der Dorfrepublik erzählt - ein toller Bonus für geographische Extremwessis wie uns.
  
In Dömitz hatte ich die Radlerpension gebucht. Die Wirtin weilte noch auf Malle, aber Jacqueline habe eine Telefonnummer und einen Schlüssel. Die zweiten Fahrradgäste 2017 seine wir, vernahmen wir etwas erstaunt. Alleine seien wir um Haus, Frühstück gebe es wie vereinbart nicht.  Nein, von einem Café oder einer Bäckerei wisse sie nichts (das klang bei der Buchung noch ganz anders), der andere Bäcker an der Hauptstraße habe sonntags geschlossen, aber 700 m weiter (2.800 Fahrradmeter) sei eine Tankstelle. 

Am Abend gab es Auerochsburger und Vielanker am Hafen. Wir genossen die Zeit bei gemütlichem Ambiente mit Betrachtungen von dem was war, wie es gekommen ist und was hätte sein können oder wie es eigentlich sein sollte. Es war wie früher, ergebnisoffen philosophieren war immer schon unser Steckenpferd und an diesem Abend taten wir es mal wieder bis zum Kehraus.


Der Tankstellenkaffee war zumindest sehr unterhaltsam. Ein Stadtstreicher gesellte sich zu uns, oder wir uns zu ihm, und erzählte ein wenig aus seinem Leben. Unglücklich erschien der Mann keinesfalls, auch nicht unzufrieden und schon gar nicht aufdringlich. Die dezente Art und Weise, wie er, als wir uns anschickten aufzubrechen, fragte, was denn solch ein Kaffee in Pappe kosten würde, war durchaus gewinnbringend für ihn. 


Heute folgten wir der Elde flussaufwärts. Ab hier begann dann auch für mich unbekanntes Territorium. Hinter der letzten Schleuse in Dömitz in Richtung Nordwesten öffnete sich ein von riesigen Feldern und Wald geprägtes, im Sonnenschein jedoch sehr attraktives, Nichts. Ich neige zwar manchmal zu übertreiben, jedoch war es uns an diesem Tag, auf einer Strecke von mehr als 90 Kilometern, nicht vergönnt, ein Stück Kuchen oder aber auch nur einen frischen Kaffee käuflich zu erstehen. Erst an unserm Zielort Lübz, verlockte ein Schild mit der Aufschrift "Eisdiele" und freien Sonnenplätzen gar lieblich. Das Eis kam aus einem Automaten. Es gab 2 1/2 Sorten, Schoko, Vanille und Schokovanille. Wir mutmaßten, dem Osten fehle es an italienischer Tradition, ließen uns jedoch das sogenannte Eis mangels Alternative dennoch schmecken. 


Hotel Christina hatte unsere volle Sympathie. Tolle große Zimmer, heiße Dusche, die Belegschaft, eine freundliches, kompetentes und sympathisches One-Man-Team. Den Zander briet er ebenso vorzüglich wie das Gerippe eines Schweines, wir fühlten uns perfekt umsorgt. Besorgt waren wir hingegen,  beim folgenden Verdauungspaziergang, über den kulturellen Allgemeinzustand der hübschen Kleinstadt.  Keine Kneipen, keine Restaurants, Versicherungsagenturen, Handyladen, Tattoostudios und Beerdigungsinstitute gehen wohl noch in der Gegend, kein Mensch auf der Straße, kein Licht in den Häusern - wo sind die alle? 


Zum Frühstück war die Belegschaft aufgestockt. Selbiges war erwähnenswert gut. Das strahlende Wetter vom Vortag hatten sich flinke Wolken und kräftiger Wind hinzu gesellt. Unser Etappenziel war die Hansestadt Wismar. Ich will es vorweg nehmen - kein Kuchen, Kaffee (älter) an einer hölzernen Wurstbude in einem Vorgarten. Es gab noch mehr Gegend an diesem Tag, viele kleine und große Seen, die Menschen unterwegs unterhielten sich über das Angeln und das Angeln. Landstraßen mit Schotterdecke und der beständig anschwellende Gegenwind machten uns das Leben schwer.


Nach einem längeren Stück Landstraße mit mäßigem LKW-Verkehr waren wir froh Wismar zu erreichen. Durchgefroren checkten wir im Hotel Schwedenhaus, einer Art Asylantenunterkunft für Durchreisende, ein. Außen chic, skandinavisch in gelb und blau mit Holz verkleidet, drinnen Container. Was solls? Eng, aber alles drin was man braucht, angemessener Preis und die Dusche war schön heiß. 



Bibbern beim Stadtrundgang, der Sturm lief zur Höchstform auf und die Temperaturen waren nur noch gering einstellig. So richtig konnte uns der hanseatische Flair nicht mehr packen und es zog uns in ein grieschiches souterrain Restaurant, das wir beide mit der unausgesprochenen Absicht betraten, einen Fleischberg zu verzehren. Nach vollzogenem Akt, irrten wir noch eine Weile durch Plattenbausiedlungen um am Ende doch noch unser schwedisches Kleinod zu finden und alsbald in erholsamen Schlaf zu fallen. 


Das Frühstück kostete extra, war jedoch vorzüglich. Kaffee floss in rauen Mengen aus einem Zapfhahn in der Wand und auch sonst blieb kein Wunsch unerfüllt. Die Temperaturen kletterten heute gar nicht erst aus dem Keller und der Wind blies auf dem hügeligen Ostseeradweg stramm von vorne. Ab und an zog eine Regenschauer vorüber, wir fanden jedoch Schutz in einem Strandcafé. An einer Stelle war der Radweg auf der Steilküsten abgerutscht und unbefahrbar, dort mussten wir wieder ins Landesinnere ausweichen. 


Zum Glück mussten wir heute nur knapp 60 km strampeln. In Travemünde ließen wir die, mittlerweile zugenagelte, schlechteste Wurstbude der Welt rechts liegen und steuerten ohne Umwege Niedereggers Café an. Marzipantorte, Kännchen Kaffee, Kellnerin mit schwarzem Rock und weißer Schürze, so wie früher. Noch ein Bringsel einkaufen und dann ab in die Regionalbahn. Es war anstrengend, es war schon, tolle Wildniss, erlebnisbetonendes Wetter, wir haben viele nette und freundlich Menschen getroffen und wurden gut umsorgt. Ganz klar, das werden wir widerholen.....aber die Sache mit dem Kaffee?.......da muss wohl nächstes Mal unbedingt eine Thermoskanne mit.