Mittwoch, 20. April 2016

planlos radelnd rumdödeln - Post 100



Rekorde wollte ich in diesem Jahr keine mehr brechen. Es einmal wieder etwas gemütlicher angehen lassen, mehr gucken, mehr Fotografieren, mehr um den Hund kümmern ist der Plan. So fand ich es denn auch ganz nett, heute einmal planlos durch unbekanntes, naja nicht gänzlich unbekanntes, jedoch 30 Jahre nicht gesehenes Terrain planlos radelnd herumzudödeln und das Hauptaugenmerk auf den Augenschmaus zu richten.


Blauer Himmel, sattes Grün, wärmende Sonnenstrahlen, der Rahmen war schon da, ich musste nur noch los fahren. Ostbelgien war das ziellose Ziel. Die Renradfahrer sehen hier alle aus wie Eddi Mercks, drahtig und mit Ballonmütze, der Plastikhelm scheint verpönt. Die meisten grüßen freundlich abwechselnd mit "Hallo" oder "Bon Jour" ich bleibe beim praktischen norddeutschen "Moin!", es gibt wohl zu wenige Liegeradfahrer, als das sich hätte herumsprechen können, dass man die nicht grüßt. Es ist ein ständiges auf und ab, wenig Verkehr, was wohl den einen oder anderen Traktorfahrer zum unvorsichtigem Rasen verleitet.


An der neugebauten TGV Strecke nach Brüssel wartete ich auf einen 350 km/h -Blitz - es kam kein Blitz - egal dann eben Löwenzahn pflücken und in die Sonne blinzeln. In Raeren gab es das Premiereeis 2016 und dazu einen Cappucino. Das Eis war erschreckend billig, der Cappuccino auch. Erschreckend weil ich mich fragte was ich eigentlich in Hamburg bezahle wenn ich einen Eisbecher und einen Cappuccino bestelle. Der Eis und die freundliche Bedienung jedenfalls nicht. Ein dicker Mops schaute von der anderen Staßenseite jedem Eislöffel hinterher. Dazwischen, auf der Straße, trieben drei Jungjugendliche auf ihren Longboards Dinge, die einerseits nicht straßenverkehrsortnungskonform waren und andererseits auf noch mangelnde physikalische Kenntnisse schließen ließen.


Vollpfosten gibt es in Belgien offensichtlich auch. Bei der örtlichen Straßenbaubehörde scheint ein Prachtexemplar zu arbeiten. Was denkt man wohl wenn man auf einer nagelneuen grasgrünen getünchten Radverkehrsanlage unterwegs ist, die auf eine knallrote angemalte querende Straße trifft und nicht zufällig auf das geschrumpfte vorfahrtachten Schild am Rand schaut? Als Radfahrer muss man halt immer mit der Dummheit anderer rechnen, auch im Dödelmodus.



Und so kam es dödelig zum 100. Post, vom Pinscher und vom Fahrrad.





Dienstag, 19. April 2016

Venn



Eigentlich sollte es ein Mehrtagesausflug werden, diese Tour mit Papa, aber erstens kommt ja immer alles anders als man zweitens denkt. So wurden nun daraus ein paar Tagesausflüge. Heute sollte es ins Hochmoor gehen, dem einzigen Hochmoor auf dem europäischen Festland (es gibt wohl ähnliches noch in Schottland), dem Hohen Venn. 


Papa ist mit seinen 81 Jahren nicht mehr der Schnellste, das Haupthandycap lag jedoch im geliehenen Drahtesel. Man hatte ihm just eröffnet, dass Kette, Ritzel und Zahnkränze seines Renners nach nicht einmal 23.ooo km verschlissen seien. Viel zu früh, wie er meinte, das sei schließlich alles Stahl und muss doch länger als zwei Jahre halten. Also arbeiteten wir uns langsam von der Talsohle der Dreilägerbachtalsperre durch Roetgen weiter auf der alten Bahntrasse der Vennbahn bis nach Konzen an den Rand des Hohen Venns. 


Die karge, kalte Hochmoorfläche war noch spärlich vom frühlingshaft sprießenden Grün beglückt. Totes Grau und Braun waren die vorherrschenden Farben. Man muss es mögen. Wir überquerten alte Schmugglerpfade, auf denen nach dem letzten Krieg tonnenweise Kaffee in Rucksäcken aus Belgien in den Kölner Raum geschmuggelt wurden. Verlockende 10 war der Faktor für eine erfolgreiche nächtliche Schmuggeltour, jedoch gab es auch den einen oder anderen Fall, bei dem Schmuggler ihre Tour mit dem Leben bezahlt haben. Neben unwegsamem Gelände, Schnee und Nebel waren da deutsche Zöllner die scharf schossen. Die älteren Brüder meines Vaters würden Geschichten erzählen könne, aber sie sind mittlerweile alle eines natürlichen Todes gestorben.


Bäche mit torfsaurem, vom eisengehalt rot gefärbtem Wasser gluggerte dahin, Teiche, Birken, trockenes Gras. Die Flora ist spärlich aber einzigartig. Das sich einst über viele Quadratkilometer erstreckende Ödland ist durch Entwässerung und Fortswirtschaft auf einen Bruchteil der Fläche geschrumpft. Die vorhandenen Reste sind erfreulicher Weise streng geschützt. Viele Gebiete dürfen nie betreten werden, einige nur mit sachkundigen Führern, andere wiederum auf den markierten Wegen und Stegen in eigener Regie. Hunde sind fast überall verboten, was den Verbleib des Pinschers vor dem warmen Kamin erklärt. 


Ein Meer blühender wilder Osterglocken erfreute unser Auge bei einer kurzen Rast. Die Sonne schien, aber ein noch eisiger Wind fegte übers Moor. Bei der nun folgenden halbstündigen Abfahrt zum Lac de Eupen, zu deutschen Zeiten Wesertalsperre, entlang des schattigen Nordhanges wurde uns dann so richtig kalt. Vater konnte die Hände kaum noch bewegen und weder schalten noch bremsen, was zu einer längeren Zwangspause an der Staumauer führte. Der See war mit Schmelzwasser gut gefüllt und bot eine pausengenehme Augenweide während die tiefgefrorenen Hände von der Sonne aufgetaut wurden.



Wir folgten der Weser entlang prachtvoller alter Fabrikantenhäuser hinab in die Unterstadt der kleinen alten Industriestadt Eupen. Die belgische Ostkantonsstad war ehemals deutsch. Noch immer sind mehr als 50% der Einwohner Ausländer, nämlich Deutsche. Das Leben ist bunt und anders, schon als jugendlicher habe ich die Vielfalt Ostbelgiens genossen. Hier spricht man ganz selbstverständlich mindestens drei Sprachen und die Übergänge sind fließend. Flämische, wallonische und deutsche Kultur haben sich gemischt und die Region zu einem einzigartigen kulturellen Juwelen gemacht. Hier mag man einfach sein, hier erlebt man oft mal etwas anderes. Speisen und Shoppen hat noch fair.



So zum Beispiel, ich kann meine Affinität zum Kuchen einfach nicht verstecken, der belgische Reisfladen. Erklären kann man dieses Gebäck nicht, man muss es einfach probieren, wenn man einmal in der Gegend ist. Und da war doch noch was? Ja, man verzehrt den Kuchen in der Wallonie mit Messer und Gabel, wenn man nicht auffallen möchte. Eine gute Tasse Kaffee dazu und schon ist man gestärkt. Wo es eine Unterstadt gibt, ist meist die Oberstadt nicht weit. In Eupen ist die räumliche Distanz sehr klein und der Berg hinauf entsprechende Steil. Von der Weser hinauf zum Stadion des AS - Eupen und dem Parlament der deutschsprachigen Gemeinschaft  geht es radfahrtechnisch richtig zur Sache und gerne hätte man noch den einen oder anderen kleineren Gang gehabt. Kein Problem für Vater, der ist das ja gewohnt und die letzten 15 Kilometer nach Hause waren dann "a Kengderspell".










Samstag, 9. April 2016

Wir haben uns getraut


Nach Winterblues, Rückenkrank und Verschnupfungen, haben wir uns heute nach langer Zeit einmal wieder auf gemeinsame Radtour getraut. Unsere letzte Tour war nun schon ein halbes Jahr her, entsprechend zurückhaltend war der Pinscher, als ich den Fahrradkorb aus der Dachkammer hervorkramte. 


Schon nach zwei Abbiegungen lehnte er sich weit hinaus. In alter Manier schaute er von hinten über meine Schulter - man muss ja wissen wo es demnächst hin geht. Wie so oft hatte ich die östliche Himmelsrichtung eingeschlagen. Aus dem Zentrum der Hansestadt braucht man, egal welche Richtung man einschlägt, 90 Minuten um ganz aus der Stadt hinaus zu kommen, aber gen Osten ist es, nicht zuletzt aufgrund diverser neuer Radwege, am angenehmsten. Über Mariental zur Horner Rennbahn, der U2 folgend Richtung Billstedt und dem Schleemer Bach bis in die Boberger Dünen folgend. Auf dem Segelflugplatz war Hochbetrieb. Wir ließen uns etwas abseits in den Dünen nieder und tollten im Sand. 



Toll hier - der Pinscher versuchte erfolglos eine Hummel zu fangen und ich schaute eine Weile den Segelflugzeugen zu. Die Thermoskanne mit dem Kaffee hatte ich zu Hause vergessen, wie schade. Nächste Pause - der Biohof mit Kaffeescheune im Billetal. Dort kann man herrlich bei Kaffee und Kuchen im Garten sitzen und vielleicht noch etwas leckeres für zu Hause mitnehmen. Heute jedoch war ich rundum erfolglos. Es gab noch zwei Tortensorten - beide mit Baiser. Ich hasse Baiser, ich kann Baiser nicht ertragen an den Zähnen.


Über die Dove- und die Gosse Elbe führte uns der Weg weiter zur Windmühle in Reitbrook. Von dort Richtung Westen kommt man dann ganz zufällig am Stenderchen Hof in Tatenberg vorbei, wo es bekannter Weise immer ein Stückchen leckersten Kuchen gibt. In Anbetracht dieser Tatsache, kann man unseren heutigen Ausflug als einen ganz großen Erfolg deuten, und ja, der alte Pinscher ist wieder reisetauglich. 



Montag, 4. April 2016

Die Geister die ich rief

Ganz ähnlich wie Goethes Zauberlehrling, der die gerufenen Geister nicht mehr los wurde, ging es mir am gestrigen Sonntag. Ambitioniert hatte ich im Velomobilforum zu einer Sonntagstour eingeladen - Geister waren keine gekommen, aber eine Hand voll gestandener Randoneure. Da musste ich nun durch. 




Mein Trainingsstand in diesem Jahr war noch rudimentär, nicht einmal Tausend Kilometer hatte ich auf der Uhr. Zeit, nach der überausgiebigen Winterpause einmal wieder eine etwas längere Tour zu fahren. Einfacher würde es sicher sein, noch ein paar Leute ins Boot zu holen. Hamburg - Bremen hatte ich angesagt, zur Abwechslung einmal entlang der Nordheide. Knapp hundert Kilometer dachte ich, ein Freund meinte 110. Bei näherem Hinschauen würden es 140 Kilometer werden und am Schluss waren es dann mit der Heimfahrt vom Bahnhof über 150. 


Alte Bekannte, ein neues Gesicht - im Durchschnitt 40 Pfund leichter als ich, und ich wusste, sie waren alle schon einmal 300 km am Stück gefahren in diesem  Jahr. Das würde weh tun. Das geht gleich weg, war die halbtröstende Antwort eines Mitfahrers. Nach dem hinausschlängeln aus der Stadt, über die Elbinsel und die Süderelbe in Richtung Maschen, pendelte sich die Reisegeschwindigkeit in etwa bei frisierter Puch MaxiSport ein. Bergauf etwas langsamer, wegen der Liegeradfahrer, bergab auch irgendwie langsamer wegen der Nichtliegeradfahrer. "Fahr mal an zweiter Stelle" - war ein sehr guter Tipp. Vorne bremste ich die Gruppe aus, hinten wurde ich abgehängt, aber an zweiter Position lief es tatsächlich ganz gut. 


Im Schafstall, einem ausgesprochen netten Café, das wir schon mehrfach angesteuert hatten, gab es ausgebackenen Käsekuchen. Bei T-Shirt Wetter war die einzige Kellnerin dem Ansturm auf die Freiluftplätze kaum gewachsen. So fiel die Pause deutlich länger als geplant aus. Grund, danach weiter kräftig, vielleicht so gar einen Tick kräftiger in die Pedale zu treten. Meine Schaltung zickte, und ich verlor immer mal wieder ein wenig den Anschluss. Bei leichtem Gefälle ließ sich das dann aber, ob der größeren vom Erdball angezogenen Masse kombiniert mit einer windschlüpfigen Haltung kompensieren. Kein Wind, Sonne satt, glatter Asphalt, nach gut 100 km taten die Knie schon etwas weh, aber das Ziel kam in erfahrbare Nähe. In Ritterhude gab es Eis. Die Schlange am Tresen war gewaltig und ich zog zwei mitgebrachte Bananen und einen Schluck aus der Thermoskanne vor, während ich noch einmal nach der Schaltung schaute. Nix zu machen, da muss nächste Woche mal die Werkstatt meines Vertrauens ran, aber für diesen Tag würde ich mich damit arrangieren können. 


Mit einem riesigen Minarett grüßt die Hansestadt Bremen schon aus der Ferne. Quatsch natürlich, aber der Fallturm des Zentrums für angewandte Raumfahrtechnologie der Universität Bremen sieht dem Turm einer Moschee zum verwechseln ähnlich. Den Muezzin in 110m Höhe würde wohl unten kaum noch jemand hören. Durch den Bürgerparkt kommt man geradeweg vom Stadtrand zum Bremer Hauptbahnhof. Der Metronom würde in 30 Minuten fahren, Zeit genug die Fahrkarten zu ziehen und eine wohl verdiente Pommes zu essen. Um eine Platz im Fahrradabteil muss man zu dieser Jahreszeit noch nicht fürchten.


Und der Pinscher? Hase-Brutus-Joschi geht es im Moment nicht gut. Arthrose im oberen Lendenwirbelbereich bereiten ihm Schmerzen und erschweren die Bewegung, ein ein Ohrenentzündung quält ihn gerade zu allem Überfluss. Es wird wohl noch ein Weilchen dauern, bis er wieder Reisetüchtig ist. Ich hoffe das Beste für den kleinen Kerl, denn wir sind ja ein unschlagbares Team.