Samstag, 27. April 2019

2 Rehe / 1 Wildschwein / 25 KM - Nachruf auf einen begeisterten Radfahrer


Zwei Rehe, ein Wildschwein, 25 KM, 4. Februar 2003 - so, oder so ähnlich sahen sie aus die Einträge in seinem "Fahrtenbuch". Fast alles hat er aufgeschrieben, wichtiges, unwichtiges, unbegreifliches, kurioses. Der letzte stammt vom 28. Februar 2019, 25 KM, die letzten 25 Km in einem erfüllten Radfahrerleben. Jetzt ist Robert Krüttgen tot. 


Geboren 1935, Kindheit im Krieg, Zerstörung, Flucht vor den letzten großen Schlachten am Westwall, Hunger, die 13köpfige Familie wurde nie satt. Schule? Ausbildung? kein Gedanke! Die Mutter starb früh in den 50ern. Heirat, 4 Kinder, zwei überlebten. Arbeit war sein Leben, etwas schaffen für die Familie. Damals, in den goldenen Nachkriegsjahren war alles möglich. Die Anzahl der gebauten Häuser bleibt ungezählt. 1994 war der Rücken verschlissen, die Knie auch und ein gewisses Übergewicht war nicht zu übersehen -  Rente mit 60, das wird er nicht überleben, dachten wir, jemand der immer gearbeitet hat, kann nicht einfach aufhören.


Konnte er! Und wie er das konnte! Quasi nie auf einem Fahrrad gesessen (wann auch, es gab schließlich immer etwas sinnvolles zu tun), kaufte er sich im November 1995 ein nagelneues Fahrrad. Treckingrad - gute Qualität (ich kaufte mir damals das Gleiche) - nur drei Jahre später war es verschlissen, einfach total verschlissen (meines fährt immer noch durch Hamburg, ab und an sehe ich es auf dem Hof stehen).


Um Punkt halb sechs am Morgen ging es los. Jeden Morgen, bei jedem Wetter, ohne Wenn und Aber. Auf den Mann mit dem Fahrrad war Verlass. Ganz habe ich die Aufzeichnungen nicht durchschaut, aber eine Viertelmillion Kilometer dürfte Robert noch gefahren sein, nach seiner Berentung, gut 6 Mal um die Welt. 


Jeder hier kannte den Mann mit dem Fahrrad, für ein Schwätzchen blieb er gerne mal stehen. In den letzten Jahren haben wir auch ein paar Mal gemeinsam in die Pedale getreten, gerne auch mit Übernachtung, echte Familienausflüge, er hat es geliebt. Auch für dieses Jahr war wieder eine große Tour geplant, aber dazu ist es leider nicht mehr gekommen. 


Es ging alles so schnell. Am 7. Januar der erste Arztbesuch seit 25 Jahren, Krankenhaus, Hoffnung, Krebsdiagnose am 6. März, immer noch Hoffnung, Mitte März dann die Sicherheit, dass der Krebs schon überall und nicht mehr aufzuhalten ist. Die Entscheidung gegen jegliche Therapie war weise. Eine letzte Rund durchs Dorf gestützt von seinen Kindern, eine letzte Zigarette auf dem Balkon, der letzte ruhige Atemzug am 7. April um 9:00 Uhr, an einem sonnigen Sonntag Morgen, zu Hause, im Kreise der Familie. Es ist traurig, ich habe meinen Vater verloren. Im Himmel gibt es nun einen begeisterten Fahrradfahrer mehr. 





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