Montag, 7. August 2017

Die Nacht


Die Nacht war über Jahr(zehnte) meine bevorzugte Tageszeit. Das hat sich deutlich verändert. Menschenmassen und allem was laut und grell ist, gehe ich derweil ganz gezielt aus dem Weg. Stille und sanftes Licht sind in den Fokus geraten, der frühe Morgen, aber manchmal ruft auch die Nacht. 


Es gibt kaum eine verrückte Idee, für die man keinen Mitstreiter findet. Sollte diese Theorie jemals widerlegt werden, so bin ich gerne auch verrückt genug meinen Weg alleine zu gehen. Oft bestehe ich sogar darauf. An diesem Samstag Abend jedoch starteten wir zu zweit. Kurz nach Sonnenuntergang, Hamburg-Dömitz-Hamburg, die Nacht hieß uns freundlich willkommen. 




Es sollte meine längste Tour seit über einem Jahr werden. Ein wenig aufregend ist das dann doch immer, aber ganz gemütlich padalierten wir los. Nach wenigen Metern fiel auf, dass mein Scheinwerfer sich in jedem Schlagloch verstellte. Die Befestigung musste etwas überarbeitet werden, gutes Licht ist das A und O bei Nacht. Dies sollte jedoch nur die erste Panne in dieser Nacht sein, im weiteren Verlauf mahlte mein hinteres Radlager zeitweise wie Omas Kaffeemühle und am Velomobil gab es einen aufwändigen Reifenschaden. Nichts dabei, was nicht tolleriert oder behoben hätte werden können, jedoch kostete es einiges an Zeit. 


An der Stadtgrenze war das letzte Tageslicht erloschen. Der fast volle Mond begeisterte und tauchte die Landschaft in ein wundervolles Licht, dass mehr Fragen stellte als Antworten gab. Wildschweinrudel richen kräftig nach Maggi im Vorbeifahren, auch wenn man sie weder hört noch sieht. Auf einem Aussichtsturm in den Elbauen machen wir eine Pause. Wasser, Dunst, Wald, Felder, nie gehörte Geräuche. Es ist kalt geworden, 11° zeigt das Therometer, darauf war ich gar nicht eingerichtet, nur das Ersatz T-Shirt konnte ich noch überziehen.


Kein Mensch, kein Auto, viele Kilometer, Stunde um Stunde, schweigsam fahren wir nebeneinander her. Die Nacht hat 1.000 Augen, sie sehen dich, sie starren dich an. Gegen 4:00 Uhr verschwand der Mond vom Nachthimmel. Es wurde schlagartig dunkler und Venus im Osten legte sich mächtig ins Zeug, wärend schon ein paar vorwitzige Perseiden im Süden verglühten. Kurz darauf der ersehnte Silberstreif am Horizont. Ich war müde und mir war kalt. Nachts fahren fordert die Sinne. Ein stündchen Schlaf wäre jetzt gut gewesen, Tau und spatzengroße Mücken ließen uns jedoch davon Abstand nehmen. Gegen 5:00 Uhr erreichten wir den Scheitelpunkt der Tour, die Elbbrücke in Dömitz. 


Um 6:00 Uhr sollte es Frühstück beim Bäcker in Hitzacker geben. Ich hatte mich bei zwei unabhängigen Quellen über die Öffnungszeiten Informiert. Der guten Dinge wären wohl drei gewesen, jedenfalls standen wir vor verschlossener Tür. Ganz pragmatisch versuchten wir nun, in den ersten wärmenden Sonnenstrahlen, das Velomobil zu reparieren. Erstaunlich was da alles heraus fällt, wenn man es auf den Kopf stellt. Bäckerei 2. Anlauf, 7:30 Uhr, wir stehen ganz weit hinten in der Schlange der Brötchenhungrigen - dabei waren wir doch die Ersten. 


Die Gebirge um Hitzacker sind bei Radfahrern in Norddeutschland berüchtigt. Es war mein 1. Mal, aber jetzt weiß ich aus eigener Erfahrung, warum man besser die gegenüberliegende Elbseite benutzt, oder einen großen Bogen durch das Wendland macht. Zwei mal reichte die Übersetzung nicht, und wir mussten schieben. Marathon just in Time. Trotz längerer (Zwangs-)pausen schafften wir die Marathondistanz in gut 13 Stunden. 


Drei Kranische zogen vorüber, Graugänse übten den Formationsflug, Schwalben jagten über den Deich. Ich fühlte mich nicht gut. Schlafmangel, Außenbänder rechts, der linke Fußknöchel, ein paar Mückenstiche, nennenswerter Gegenwind auf den letzten 100 km  - alles erträglich, aber eben nicht mehr gut. Vielleicht steckten mir auch noch die 170 km von Montag in den Knochen?


So waren die letzten 50 km dann auch nur noch ein eher mittelgemütliches nach Hause rollen mit verminderter Geschwindigkeit. Aber wenn du dann in einer heißen Wanne Schaumdad liegst, teilnahmslos an die Decke starrst und ab und an einen Schluck kühles Nass herunterspühlst, dann denkst du auf einmal: "Wow! War das eine Nacht!" am schönsten Fluss der Welt....








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