Freitag, 9. Juni 2017

Land zwischen den Meeren


Itzehoe neun Uhr dreißig: Frühstück unter einem auch als Regenschirm gute Dienste leistenden Sonnenschirm. Nee, irgendwie wollte sich nicht die rechte Radelstimmung einstellen und so tranken wir den Kaffee sehr sehr langsam und kauten etwas missmutig auf einem Weizenbrötchen mit Marmelade Irgendwann muss man dann mal los, schließlich will man ja auch irgendwann mal irgendwo ankommen. Irgendwo war in diesem Fall Schleswig, aber dazwischen lagen noch satte 190 km. 



Irgendwann würde es aufhören zu regnen. Irgendwann war jedoch später als erwartet. Ohne Schutzbleche wird man da sowohl von oben als auch von unten nass, doch auch hier gilt die Weisheit: "Wenn man einmal drin ist, ist es gar nicht so schlimm."  Schlimm war eher der permanente steife Wind, der uns bis Husum hinaus entgegen blies. Auf der Brücke über den Nord-Ostsee-Kanal war es noch grau, kurz darauf riss der Himmel auf und es wurde sofort ansatzweise heiß (zumindest unter der Regenjacke).


Wir waren zu zweit unterwegs, ein fast schon eingespieltes Team. Reden muss man nicht viel, jeder hat den Track auf seinem GPS Gerät und weiß wo es lang geht. Heide in Holstein umschifften wir südlich, Stunde um Stunde voran, Zeit für einen Blick auf das frische Grün und das luftige Blau. Unsere erste große Pause gönnten wir uns, vom Gegenwind merklich erschöpft, am Eidersperrwerk. Unerwartet bog ein Rudel Liegeradfahrer ums Eck, wir tauschten ein paar Sätze, das eine oder andere Gesicht war bekannt, die Community ist klein, 0,7 Promille aller Fahrräder sind Liegeräder. 


Seeschwalben und Lachmöwen brüten auf dem Sperrwerk gleich neben dem Touristenstrom. Mangels anderer Steilküstenähnlicher Begebenheiten an der kompletten Westküste Schleswig-Holsteins, mutmaßten wir. Warum sollten sie sich sonst diesen Stress antun? Und Stress gab es genug. Das Getier zeigte sich wehrhaft dem gegenüber, der es wagte (wenn auch zufällig) zu nahe an ein Nest zu treten. Kaffee, Fischbrötchen, Pommes, Kuchen, Cola....die Anderen waren auch schon da. 


Wir folgten der Eider ein Stück weit und bogen ab nach Husum. 18:00 Uhr, deadline die Unterkunft zu kündigen. Wir überlegten kurz. Nein, es war einfach zu schön und ab jetzt gab es Rückenwind satt. Das nichts zwischen den Meeren gefiel mir in der warmen Abendsonne ungemein gut. Wir flogen dahin von Ort zu Ort - nichts was einen passionierten Radfahrer hätte noch glücklicher machen können. 


Fast 21:00 Uhr war es, als wir beim Hotel "Hohenzollern" auf den Parkplatz rollten. Heitzdecken- und Schnellkochtopfverkaufsathmosphäre - hier hätten meine Großeltern in den 70ern schon gewesen sein können, und das Beste: seither hatte sich offensichtlich nichts geändert. Meine Abendgaderobe war, wohlwollend ausgedrückt, feucht. Die neuen Banana-Racer Seitentaschen von Radical Design sind nicht wasserdicht. Gut zu wissen für die nächste große Tour. 2x 12 Liter Volumen sind nicht gerade üppig, aber es gibt genau keine Alternative dazu, für Liegeräder ohne Gepäckträger. Müllbeutel werden in Zukunft das Mittel der Wahl sein, ansonsten sind die Taschen großartig, man merkt absolut nicht, dass man mit Gepäck unterwegs ist. 


Italienisch bekommt man auch noch um zehn. Die Bedienung saß an einem Tisch, ihr Smartphone vor sich aufgebaut, und plärrte hinein. Was soll´s, Hauptsache etwas zu beißen. Fleisch! Heute unverschämt, da kein Vegetarier unter uns und danach noch ein fettes Eis. Mein Zimmer war fast fensterlos, aber ich wollte ja auch nicht rausgucken sondern schlafen, und das gelang recht gut. 


Frühstück um acht. Strahlender Sonnenschein, warm: Lagebesprechung. Wenn man schon einmal am Wurmfortsatz der Republik ist, dann sollte man diese Tatsache auch genießen und dort oben bleiben. Wir beschlossen der Schlei entlang zu fahren, eine gute Entscheidung. 


Die Landschaft darf man durchaus als gelungen bezeichnen. Sanfte Hügel, immer wieder Blicke auf den Fjord. Kabelfähren, Klappbrücken, die Ortsnamen enden gerne auf "y" und mancher Mensch Muttersprache hier ist das Dänische. Eis in Kappeln, der Kellner war schneller als der Wind. Im Bogen wollten wir nach Eckernförde und landeten in einer Kilometer langen Baustelle, sowohl den Straßenbelag als auch den Belag des Radweges hatte man grob weggefräst - Prost Mahlzeit! 



Konsolidierung bei Currywurst und Pommes in Eckernförde am Strand. Eine Gerissene Messerspeiche bei meinem Begleiter und, es gruselte mich etwas, dicke Bäuche an meinem Hinterreifen. Neun Bar war wohl doch ein Bar zu viel. Ich beschloss, der Reifen würde halten, nur noch 20 km  - diesen Gefallen tat er mir tatsächlich. Ein Blick auf die Ostsee über ein Meer von blühenden Heckenrosen - tres chic. Kurz vor dem Nord-Ostsee-Kanal blieb ich an einer Umfahrsperre Hängen und legte mich ab. Wie ich diese Dinger hasse! Berappen....wo war noch gleich mein Begleiter? Auf der Kanalbrücke in 50m Höhe trafen wir uns wieder. 


Jetzt nur noch der Förde längs bis zum Bahnhof rollen. Mein Mitfahrer zündete sich eine Zigarette an und blies den Rauch wie eine Dampflock in die Luft. Ich fand, es sah ganz schön dekadent aus, und des Weiteren, dass ein Liegerad wohl das einzig aller Räder ist, auf dem man mit Genuss rauchen kann ohne auch nur eineSpur unsportlich zu wirken. 










Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen