Sonntag, 28. August 2016

Sternfahrt zur Mitte von Niedersachsen

Dietmar stand mit seinem weißen ICE-Trike auf einer Verkehrsinsel an den Elbbrücken und starrte ratlos auf seine Landkarte. Ich war spät los gekommen, das Aufstehen hatte sich in die Länge gezogen, der Pinscher trottete übergemütlich um den Block heute morgen und ich musste wenigstens einen Happen gegessen haben, Echtfrühstück sollte es später unterwegs geben. 



Dietmar war so in seine Papierkarte vertieft, dass ich durch den Verkehrslärm hinüber pfeifen musste. "Andere Elbseite? Ich kenn den Weg! Treffen? Niedersachsen? Jaja, kannst mir hinterher fahren...." Dietmar war langsamer als ich, Trikes sind nicht so schnell im allgemeinen und Dietmar japste insbesondere. Ich geriet ein bisschen in Zeitnot. Frühstück beim Straßenradbäcker in Sevetal. Pott Kaffee, Franzbrötchen, Kopenhagener, Dietmar wollte tatsächlich zu einem Treffen, jedoch ein ganz anderes in der Südheide, förderte unser Gespräch zu Tage. Macht ja nix, die Richtung stimmte noch halbwegs und Dietmar bog in Jesteburg Richtung Süden ab. Die Anzahl der Möglichkeiten Leute kennen zu lernen ist unendlich. Für mich war es nun an der Zeit,  ein paar Kohlen nachzulegen und die Geschwindigkeit dezent zu erhöhen. 


Da ich ja gerne mal meckere, im allgemeinen über Radweg und insbesondere über Radwege an denen die Schilder mit der Aufschrift "RADWEGSCHÄDEN!" verwittern, muss ich heute mal so fair sein und ein Lob aussprechen. Die Radwege im nördlichen Heidekreis und im Südlichen Kreis Rotenburg sind sehr gut. Erst Richtung Verden an der Aller normalisierte sich die Lage. Größere Pausen waren zeitlich nicht mehr drin, erst hinter der Weserbrücke hielt ich an um eine Flasche Wasser in mich hinein zu kippen und zwei Müsliriegel hinterher zu schieben. 



14:53 Uhr - Einlauf am Mittlepunkt von Niedersachsen. Nach knapp 140 km nennt man so etwas Punktlandung. Es gibt nichts zu sehen dort. Um mich noch einmal zu vergewissern fragte ich zwei Velomobilisten die träge auf ihren ISOmatten lagen: "Is hier was?" ...."Nö!" kam die knappe Norddeutsche Antwort. Sehr schön, ich bin gerne wo nichts ist, also gesellte ich mich  zu dem noch kleinen Kreis und wartete ab. Irgendwann war dann doch was. Aus allen Richtunge zischen Liegezigarren heran und am Schluss ein knalloranger VW Bus aus dem grasgrünes Waldmeistereis verkauft wurde. Großartig, ich liebe Waldmeistereis. 


Alsbald sah es hier aus wie auf einem Spielplatz für mittelalte Erwachsene. Die Stimmung war gut, man (ich weniger) kannte sich, begrüßte sich freudig, guckte hier probierte da, bis zum Aufbruch geblasen wurde. Zügig, leise und umweltneutral setzte sich unser Tross in Bewegung - Ziel: der kleine Hafen von Hoya an der Weser.



Im Vorbeifahren versorgte ich mich in einem Supermarkt mit Grillgut, Brot und mehr Getränken als ich selbst transportieren konnte, fand aber schnell jemanden, der noch Transportkapazität hatte. Das Gelände war nett, direkt am Fluss gelegen, es gab Tische und Bänke, eine Wiese zum zelten, einen Grill und ein Klo auf der anderen Straßenseite beim Ruderclub. Fast tat es mir leid, dass ich im Vorfeld beschlossen hatte noch am Abend wieder zurück zu fahren. Ich habe seit 30 Jahren nicht mehr gezeltet, finde aber, ich sollte es noch einmal versuchen, bevor ich alt bin. Raus aus den verschwitzen und staubigen Klamotten, rein in die Weser. Das Wasser war naja und Strömung hatte es leider auch, Das die Armmuskulatur nicht mit den trainierten Beinen mithalten kann, merkt man spätestens auf dem Rückweg. Puh! Anlass noch eine weitere Flasche mittelkaltes Getränk zu verkosten und dann zum Chillout zu wechseln. Immer noch 30+ °C, strahlender Sonnenschein, leichter Wind, ich entschloss nur so da zu liegen und horchte einem Schiffsdiesel nach. Fast zwei Stunden nur so liegen und ab und an mal blinzeln, herrlich, bis mich der Hunger plagte und ich mich wieder dem Fahrradvolk zuwandte. 


Ich gab mehrere Stücke vom toten Tier beim Grillmeister ab, die ich sodann nie wieder zu Gesicht bekam. Schlimm war das nicht, ich aß halt anderes Tier. Ein Schwätzchen hier, ein Schwätzchen dort, das eine oder andere Rad ausprobiert und auch wieder etwas zum Staunen entdeckt: Ein selbstgebautes Velomobil mit einer Verkleidung aus ISOmatten die abgenommen als Zelt dient - auf so etwas muss man erst mal kommen, ich war beeindruckt.



Kurz nach 21:00 Uhr hieß es abschied nehmen. Nach kurzer Fahrt erreichte ich den Bahnhof Eyestrup. Mit der Regionalbahn nach Bremen, dann umsteigen in den quälend langsamen BummelMetronom nach Hamburg, erschöpft war ich gegen 1:00 Uhr zu Hause. Wärend ich in der Wanne die Reste der Weser abschrubbte, fasste ich den Vorstatz, im nächsten Jahr bestimmt wieder hin zu fahren, zum Mittelpunkt von Niedersachsen. 










Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen