Dienstag, 19. April 2016

Venn



Eigentlich sollte es ein Mehrtagesausflug werden, diese Tour mit Papa, aber erstens kommt ja immer alles anders als man zweitens denkt. So wurden nun daraus ein paar Tagesausflüge. Heute sollte es ins Hochmoor gehen, dem einzigen Hochmoor auf dem europäischen Festland (es gibt wohl ähnliches noch in Schottland), dem Hohen Venn. 


Papa ist mit seinen 81 Jahren nicht mehr der Schnellste, das Haupthandycap lag jedoch im geliehenen Drahtesel. Man hatte ihm just eröffnet, dass Kette, Ritzel und Zahnkränze seines Renners nach nicht einmal 23.ooo km verschlissen seien. Viel zu früh, wie er meinte, das sei schließlich alles Stahl und muss doch länger als zwei Jahre halten. Also arbeiteten wir uns langsam von der Talsohle der Dreilägerbachtalsperre durch Roetgen weiter auf der alten Bahntrasse der Vennbahn bis nach Konzen an den Rand des Hohen Venns. 


Die karge, kalte Hochmoorfläche war noch spärlich vom frühlingshaft sprießenden Grün beglückt. Totes Grau und Braun waren die vorherrschenden Farben. Man muss es mögen. Wir überquerten alte Schmugglerpfade, auf denen nach dem letzten Krieg tonnenweise Kaffee in Rucksäcken aus Belgien in den Kölner Raum geschmuggelt wurden. Verlockende 10 war der Faktor für eine erfolgreiche nächtliche Schmuggeltour, jedoch gab es auch den einen oder anderen Fall, bei dem Schmuggler ihre Tour mit dem Leben bezahlt haben. Neben unwegsamem Gelände, Schnee und Nebel waren da deutsche Zöllner die scharf schossen. Die älteren Brüder meines Vaters würden Geschichten erzählen könne, aber sie sind mittlerweile alle eines natürlichen Todes gestorben.


Bäche mit torfsaurem, vom eisengehalt rot gefärbtem Wasser gluggerte dahin, Teiche, Birken, trockenes Gras. Die Flora ist spärlich aber einzigartig. Das sich einst über viele Quadratkilometer erstreckende Ödland ist durch Entwässerung und Fortswirtschaft auf einen Bruchteil der Fläche geschrumpft. Die vorhandenen Reste sind erfreulicher Weise streng geschützt. Viele Gebiete dürfen nie betreten werden, einige nur mit sachkundigen Führern, andere wiederum auf den markierten Wegen und Stegen in eigener Regie. Hunde sind fast überall verboten, was den Verbleib des Pinschers vor dem warmen Kamin erklärt. 


Ein Meer blühender wilder Osterglocken erfreute unser Auge bei einer kurzen Rast. Die Sonne schien, aber ein noch eisiger Wind fegte übers Moor. Bei der nun folgenden halbstündigen Abfahrt zum Lac de Eupen, zu deutschen Zeiten Wesertalsperre, entlang des schattigen Nordhanges wurde uns dann so richtig kalt. Vater konnte die Hände kaum noch bewegen und weder schalten noch bremsen, was zu einer längeren Zwangspause an der Staumauer führte. Der See war mit Schmelzwasser gut gefüllt und bot eine pausengenehme Augenweide während die tiefgefrorenen Hände von der Sonne aufgetaut wurden.



Wir folgten der Weser entlang prachtvoller alter Fabrikantenhäuser hinab in die Unterstadt der kleinen alten Industriestadt Eupen. Die belgische Ostkantonsstad war ehemals deutsch. Noch immer sind mehr als 50% der Einwohner Ausländer, nämlich Deutsche. Das Leben ist bunt und anders, schon als jugendlicher habe ich die Vielfalt Ostbelgiens genossen. Hier spricht man ganz selbstverständlich mindestens drei Sprachen und die Übergänge sind fließend. Flämische, wallonische und deutsche Kultur haben sich gemischt und die Region zu einem einzigartigen kulturellen Juwelen gemacht. Hier mag man einfach sein, hier erlebt man oft mal etwas anderes. Speisen und Shoppen hat noch fair.



So zum Beispiel, ich kann meine Affinität zum Kuchen einfach nicht verstecken, der belgische Reisfladen. Erklären kann man dieses Gebäck nicht, man muss es einfach probieren, wenn man einmal in der Gegend ist. Und da war doch noch was? Ja, man verzehrt den Kuchen in der Wallonie mit Messer und Gabel, wenn man nicht auffallen möchte. Eine gute Tasse Kaffee dazu und schon ist man gestärkt. Wo es eine Unterstadt gibt, ist meist die Oberstadt nicht weit. In Eupen ist die räumliche Distanz sehr klein und der Berg hinauf entsprechende Steil. Von der Weser hinauf zum Stadion des AS - Eupen und dem Parlament der deutschsprachigen Gemeinschaft  geht es radfahrtechnisch richtig zur Sache und gerne hätte man noch den einen oder anderen kleineren Gang gehabt. Kein Problem für Vater, der ist das ja gewohnt und die letzten 15 Kilometer nach Hause waren dann "a Kengderspell".










Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen