Sonntag, 24. August 2014

Zum Frühstück nach Cuxhaven



Zum Meer fahre ich gerne lieber zur Ostsee, nicht zuletzt, weil man sich sicher sein kann, dass sie auch da ist, wenn man ankommt. Bei der Nordsee verhält sich das an der deutschen Küste ganz anders, hat man Glück, kann man seine Zehen bei der Ankunft ins Wasser stecken, anderenfalls benötigt man ein Fernglas um sie überhaupt zu sehen und man ist Kilometer weit durch Schlamm, genannt Watt, von ihr getrennt. Ganz nebenbei ist die Fahrt zur Nordsee auch eine ganze Ecke weiter und, um es behutsam auszudrücken, eintöniger. "Man kann morgens schon sehen wer zum Abendbrot kommt", ist eben nicht nur ein blöder Spruch, sondern umschreibt die landschaftliche Realität im nordöstlichen Niedersachsen durchaus treffend. 

Sonnenaufgang auf dem Platten Land
Da kam mir eine der geführten Radttouren des ADFC Hamburg einmal mehr gelegen. Zugegeben, etwas unkonventionell, bot man an, um 0:00 Uhr vom Fähranleger Finkenwerder startend, zum Frühstück in die ehemals Hamburger Exklave Cuxhaven zu fahren. Das Problem mit dem langweiligen Plattland löste sich somit mangels Tageslicht von alleine und in der Gruppe würde es sicherlich nett und lustig werden, sich eine Nacht radelnd um die Ohren zu schlagen. Alleine der Pinscher müsste ausgeschlossen werden, die Tages- oder besser Nachtzeit und die lange Fahrzeit würden ihm nicht gefallen. Letztendlich haderte ich noch mit dem Wetter. 8°C und eine 50%ige Aussicht auf Regen waren bescheiden für Ende August, immerhin sollte der leichte Wind aus Südwesten blasen - ich fasste mir ein Herz, packte neben dem üblichen Trinkvorat und den Müsliriegeln mein Regenzeug einen kompletten zweiten Satz Kleidung ein und fuhr Richtung Elbfähre. 

Orientierungspause
Koffein und Franzbrötchen - die Rettung!
Erstaunlich, ein Frau und sechs Mann hatten sich ebenfalls zu dieser unorthodoxen Zeit dort eingefunden, vier Liegeradfahrer und drei ganz normale Menschen auf zwei Rädern. Nach den obligatorischen Erklärungen durch den Tourenleiter und der Montage und Justage der diesmal wirklich notwendigen Beleuchtungseinrichtungen setzte sich unsere kleine Gruppe in Richtung Flughafen Finkenwerder in Bewegung. Hinter der Klappbrücke am Estesperrwerk wechselten wir über den Elbdeich und fuhren eine Weile am Strom entlang bis Hahnhöfer Sand. Durch das aufgeräumte Jork (böse Zungen behaupten hier schneide man die Rasenkanten mit der Nagelschere), wo die Straßenbeleuchtung schon abgeschaltet war, ging es weiter durch das Alte Land nach Stade. Die Hoffnung auf einen Kaffeeautomaten am Bahnhof zerschlug sich, es gab nur Kaltgetränke, Mars und Snickers und immerhin eine funktionierende Toilette. 

Finstere Nacht war es, ab und an blinzelten Sterne durch und der Mond war eine feine
Sichel die kaum noch Licht abzugeben vermochte. Eine Sternschnuppe sauste hernieder und in der Ferne tobte immer wieder kräftiges Wetterleuchten. Ob es wohl trocken bleiben würde?  Wir lauschten den Geräuschen der Nacht. Auffliegende Seevögel, Kühe im Stall, schmatzende Schafe und, das hatte ich  noch nie gehört, die Wildverscheucher an den Straßenbegrenzungspfählen, die, wenn der Lichtstrahl eines Scheinwerfers darauf fiel,  ein leises aber durchdringendes elektronisches zwitschern von sich gaben. Kalt war es, ich zupfte meine Bekleidungszwiebel zurecht und vermummelte mich in der hauchdünnen Windjacke aus Nylon, deren Luftpolster, wenn es dicht ist, die Kälte draußen und die Wärme drinnen hält.

abgefrühstückt
Nach einer Pause, so gegen 3:30 Uhr war ich fertig. Mir war, als würde ich jeden Moment schlafend vom Rad fallen, die Tretbewegung war nicht mehr rund, dafür jedoch anstrengend und ansatzweise schmerzhaft. Offensichtlich schien es allen so zu gehen. Wir sprachen nicht darüber, aber der Geschwindigkeitsschnitt ließ deutlich nach. Bei der Schwebefähre in Osten legten wir eine weitere kurze Pause ein. Die  gewaltige Stahlkonstruktion setzte sich beeindruckend vor dem Nachthimmel in Szene. Gut eine Hand voll dieser monumentalen Verkehrsmittel gibt es weltweit, zwei davon in Norddeutschland. 

gegen Strandräuber
Mit Fantasie konnte man das aufkommende Tageslicht erahnen. Wir folgten dem Deich der Oste, überquerten den Hadelner Kanal und fuhren weiter Richtung Otterndorf. Es wurde hell, Nebelschwaden standen über dem flachen Land und mit dem Tageslicht kam auch etwas regen, gerade so viel, dass es nicht lohnte anzuhalten und das Regenzeug anzuziehen. Die erste offene Backstube war wie eine Oase in der Nacht. Neben feinem Backwerk hielt sie auch Muntermacher in Form von heißem Kaffee bereit. "Wo kommt ihr denn schon her?" fraget ein Autofahrer, der sich seine Morgenbrötchen abholte. Man schien uns die, für diese Uhrzeit ungewöhnliche Tatsache anzusehen, dass wir schon woher kamen und nicht erst wohnin wollten. 



Am Stadtrand von Cuxhaven brach die Sonne durch. Wir mussten die Stadt von Süden
nach Norden durchqueren um zum angedachten Frührstückscafé zu gelangen und kamen so in den zweifelhaften Genuss der Cuxhavener Radverkehrsanlagen, die denne der Hansestadt Hamburg an Untauglichkeit in nichts nachstanden. Das Frühstück war verdient und großartig. Weil ich absehen konnte, dass ich den Nachmittag schlafend verbringen würde, befand ich es als angemessen, gleich in Folge ein Stück Nachmittagstorte zum mir zu nehmen. Unsere Gruppe beschloss dann einstimmig, noch gemeinsam am Meer nach dem Rechten zu sehen.

Kugelbarke / angekommen
Zufällig war das Meer auch gerade da, und mit ihm leider auch die Cuxhavener Strandräuber. Nicht, dass man dort heutzutage noch gestrandete Schiffbrüchige erschlagen würde, um sich ihrer Wertsachen zu ermächtigen,  nein, heutzutage kassiert man gemütlich zurückgelehnt aus einem Strandkorb heraus, offenbar gesetzlich legitimiert, von jedem Gast der einen Fuß in den Sand setzen möchte, einen saftigen Obolus. Da ich persönlich Meer und Strand als gemeinfrei ansehe, widerstrebt es mir innerlich zu zahlen, da hilft auch kein Gruppenzwang. Ich konnte die Gruppe jedoch davon überzeugen ein paar Kilometer weiter zu fahren und dort den Kostenlosen Strand für ein Gruppenfoto aufzusuchen. Nach dem Foto endete auch unser offizieller Ausflug. Zwei Teilnehmer wollten sich noch am Strand vergnügen, ein weiterer wollte im Hafen ein Bier trinken und zu Mittag essen, die drei anderen Liegeradfahrer hatten vor auf die gleiche Weise zurück nach Hamburg zu fahren und ich würde den Zug nehmen. Der war jedoch gerade abgefahren und ich hatte eine ganze Stande Zeit bis zum nächsten. Da bot es sich doch an, bei strahlendem Sonnenschein, meine Kollegen noch ein Stück auf dem Heimweg zu begleiten. In Otterndorf grollte der Himmel und dunkle Wolken zogen auf, ich schlüpfte in die Niederelbbahn nach Hamburg und dachte beim einnicken, welch eine lange und spannende Nacht.

Bahnhof Otterndorf - welch eine Nacht!



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