Montag, 12. Mai 2014

Von der Maas bis in die Eifel






Im Dreiländereck aufgewachsen muss ich retrospektiv leider gestehen, die Vielfalt der Möglichkeiten in frühen Jahren zu wenig genutzt zu haben. Eine Schande zudem, ich bin der französischen Sprache nur rudimentär mächtig und die niederländische verstehe ich zwar, aber sprechen - Fehlanzeige. Nunja, ein bisschen von dem Versäumten kann ich ja noch nachholen und wie ginge das wohl besser als mit dem Fahrrad? 

Rädermeer in Maastricht
Bei strahlendem April-Sonnenschein fahre ich, kleine Schwester im Gepäck und Pinscher in erprobt sicherem Gewahrsam zum Hauptbahnhof nach Aachen. In meinen jungen Jahren gab es nicht einmal grenzüberschreitenden Nahverkehr ins nahe Holland. Heute ist das kein Problem mehr. Die Euregiobahn fährt ins benachbarte Heerlen und von dort aus geht es weiter in die limburgische Provinzhauptstadt Maastricht. Ja, wir sind in den Niederlanden - schon das Bahnfahren mit Rad war ein Vergnügen, auch tauchen wir gleich vor dem Bahnhof in ein Rädermeer. Einen Wermutstropfen möchte ich dennoch nicht unterschlage, der Obolus für den Fahrradtransport über die Grenze war mit 10,00 € pro Velo deutlich teurer als der Fahrschein.

Richtung peilen und dann ging es los. Kopfsteinpflaster, ein Antiquitätenmarkt, darf man eigentlich ständig entgegen der Richtung in diesen vielen Einbahnstraßen fahren? Ein seltsames Denkmal in einem kleinen Park erregte unsere Aufmerksamkeit. Eine Bärengrube, 73 Jahre lang lebten hier Bären im Park. Der letzt, Jo, starb 1993. Im zu ehren liegt in der "Berenkuil" eine vom Künsterl Michel Huisman gestaltete tote bronzene Giraffe in Lebensgröße. Mechanisch gestreichelt wird sie von einer ebenfalls bronzenen jungen Dame. Das ganze heißt "Halbautomatische Trostmaschine" - ein wahrhaft skurriles Kunstwerk.

"Halbautomatische Trostmaschine" für Jo
Am Stadtrand zeigt Holland alles was es hat, an Berge. Es ist wahrhaftig nicht viel aber der Geesthang der Maas lässt uns dann doch schwitzen, als wir ächzend an ein paar jagdhorntragenden Gesellen vorbei radeln, die dann auch prompt die üblichen Witze bringen. Zur Belohnung gibt es einen Müsliriegel und einen Blick über die Maasmetropole, bevor es dann auch gleich wieder hinab Richtung Fluss geing. An den Schleusen zum Albert-Kanal, der von hier aus die Maas mit dem Seehafen in Antwerpen verbindet, wird allseits gewerkelt und schnell hatten wir uns im staubig betonierten Baustellengewusel verfahren. Die Wege die rot auf meinem Outdoornavi leuchteten gab es schlicht nicht mehr, da muss man halt immer mal gucken wo es weiter gehen könnte. 

an der Maas

Ecluse de Vise bei Lüttich
Hausboot auf der Maas
Die Grenze nach Belgien überquert man unbemerkt. Es ist eine gigantische Industrielandschaft durch die wir fahren. Hier blühte einst die Kohle und Stahlindustrie und 1720 stand hier die erste Dampfmaschine auf dem europäischen Festland. Das Asphaltband auf dem Kai entlang der Maas ist meterbreit und glatt betoniert. Bei Rückenwind und Sonnenschein gleiten wir gemütlich unter vielen Brücken der Provinzhauptstadt Lüttich entgegen, immer wieder von kleinen Schwärmen bunt gekleideter Rennradfahrer überholt.  Zu sehen gibt es immer etwas und vieles erinnert mich hier an meine norddeutsche Wahlheimat. Fast unbemerkt und vom Großstadtverkehr unbehelligt waren wir jetzt fast in das Zentrum von Lüttich vorgedrungen. Ein letztes Mal überquerten wir die Maas und fanden uns auf einer kleinen Verkehrsinsel an der Lütticher Stadtautobahn wieder. Ein Auto hielt an und das Seitenfenster öffnete sich. Ich fürchtete eine Belehrung, dass es hier nicht gut sei, Fahrrad zu fahren. "Monsieur, combien ça coûte?" deutete der Fahrer auf mein Scooterbike. "Trois mille Euro!" - geht doch mit dem Französisch, selbst im heftigsten Verkehrsgetümmel. Der Autofahrer nickte anerkennend und wünschte uns noch so etwas wie eine gute Fahrt. 

Maasbrücke bei Jupille-sur-Meuse

Der Wunsch blieb zunächst weitgehend unerhört. Zwar hatten wir die unangenehme Stadtautobahn schnell überwunden, aber nun führte der Weg über Kopfsteinpflaster zwischen LKWs entlang einer der größten Brauereien Belgiens (Jupiller). Ich war bei der Planung ein wenig von der vorgesehenen Route abgewichen, um etliche Kilometer einzusparen. Auf unbekanntem Terrain rächt sich das sehr oft, so auch dieses Mal. Die Straße den Maashang hinauf wurde so steil, dass wir absteigen mussten, obwohl wir beide am Berg hart im Nehmen sind. Noch weiter oben gab der Hang uns dann endgültig Recht - hier gab es nur noch Treppen.

 Jupille von der Maas auf das Herve-Platau
Nach ein paar hundert Metern hatte die Quälerei ein Ende. Wir erreichten den RaveL 5, einen jener wunderbaren belgischen Fernwege für langsamen Verkehr. Auf einer ehemaligen Bahntrasse führte uns der Weg sanft ansteigend auf das Plateau von Herve und später weiter Richtung deutsch-belgischer Grenze bei Plombiers (Bleiberg). 

Frittenbude

Was von weitem noch wie der Eingang zu einem mittelgroßen Rummelplatz aussah, entpuppte sich beim Annähern dann als eine klassische belgische Frittenbude mit stilvoll, davor  herum lungernden Dorfjugendlichen. Hunger! - aber Fritten müssen es nach 60 Fahrradkilometern wirklich nicht sein, die liegen zu schwer im Magen. Eine Bäckerei suchten wir in Herve vergebens, aber im Touristenzentrum im ehemaligen Bahnhof konnten bot man Eis und Kaffee.

Ostbelgische Weidelandschaft

Die Landschaft Ostbelgiens, sanfte Hügel und weite Täler, ist zu dieser Jahreszeit eine grüne Augenweide. Das raue feuchte Klima lässt keinen Ackerbau zu, aber saftiges Weideland gibt es hier so weit das Auge reicht und so waren auch die weiteren Kilometer Richtung Deutschland ein Vergnügen. Erst die letzten 15 km unser Reise gingen an die Substanz - die ersten Ausläufer der Ardennen wollten erklommen werden. Jesus schütze uns, steht auf einem exponierten Denkmal am Straßenrand. Die Hände schützend über das weite Land haltend genießt er wohl auch die tolle Aussicht.





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