Montag, 26. Mai 2014

Bis ans Meer



Bis ans Meer Fahren ist immer etwas besonderes, finde ich. Mit eigener Muskelkraft bis ans Meer fahren ist noch etwas besonderer. Irgendwann fahre ich jedes Jahr ans Meer. Heute hatte ich gerade nichts anderes vor, also bin ich mal ans Meer gefahren. Aber Hamburg liegt doch am Meer? Höre ich jetzt so manchen Südländer laut denken. Zwar haben wir Ebbe und Flut, einen Hochseehafen und Fischköppe hier in der Hansestadt, aber das Meer ist eine ganze Ecke weit weg. Das beste am Hamburger Nicht-Meer ist jedoch, dass wir gleich zwei verschiedene davon haben, die Nordsee und die Ostsee. Meine Wahl fiel heute auf die Ostsee. Ich finde immer, da sieht man mehr Meer. Für den heutigen Tag eine schlechte Wahl, wie sich noch herausstellen sollte. Ich hatte beim Wetterbericht nur auf Regenwolken geachtet, nicht jedoch auf die Windrichtung und die Windstärke, und so begab es sich, dass ich mehr als 100 km gegen eine steife Briese aus Nordost anradeln musste. 

Bis auf Ostsee war ich weitestgehend Planlos. Kann man sich eigentlich auf die Navigationsfunktion von solch einem Fahrradnavi verlassen, ohne vorher auch nur auf die Landkarte geschaut zu haben. Die ersten Versuche, mit den Zielen Timmendorfer Strand oder Travemünde endeten nach einer Rechenorgie des Gerätes mit der Anzeige "Routenberechnungsfeher". Nein, nicht dass jetzt jemand glaubt, solche Geräte taugen nichts, Fahrradnavigation ist deutlich komplexer als ein Auto von A nach B zu navigieren. Die Ansprüche von Fahrradfahrern sind vielfältiger und wahlweise schimpft der Rennradler oder der Mountainbike Fahrer, das Gerät tauge ja überhaupt nichts. Fahrradkuriere, Fahrer mit Anhänger und Liegeradfahrer lasse ich schon ganz bewusst außen vor. Mein Vertrauen in das Gerät ist quasi grenzenlos, ich fluche zwar immer, aber es ist seit Jahren ein treuer und zuverlässiger Begleiter, der mich noch nie im Stich gelassen hat. 

Wittmoor

Nordosten ist die grobe Richtung. So folge ich teilnahmslos der Ausfallstraße durch Barmbek bis Sasel - Schwups, Route berechnet. Am Stadtrand konnte ich den weißen Pfeilen folgen. Gleich kam eine kleine Überraschung - das Wittmoor. Sehr schon und mir bis dato gänzlich unbekannt. Pinscher, heute Navigator II genannt, und sein Herr, auch heute wieder der, der in die Pedale tritt, verschnaufen kurz und lassen die Landschaft auf sich wirken (beim Pinscher könnte man gar sagen, es sei umgekehrt, er wirke auf die Landschaft).

Von der Alster führt der Weg an die Beste. Hier über die Wasserscheide zwischen Nord- und Ostsee muss damals der Alster-Beste-Kanal gebaut worden sein. Es war der erste Versuch einen Wasserweg zwischen den Meeren zu schaffen, damals im 16. Jh. Die Geschichtsbücher sagen, es sei die teuerste Fehlinvestition aller Zeiten für die Hansestadt Hamburg gewesen. Ich denke, man sollte die Geschichtsbücher demnächst mal an neue geschaffene Realitäten anpassen.

Durch Zufall - nein, die ganze Tour war ja Zufall, also, es begab sich, dass wir auf die, zu einem Radweg umgebaute Bahntrasse von Henstedt-Ulzburg nach Bad Oldesloe gerieten. Das hatte ich in letzter Zeit, zu miedest seit ich Liegerad fahre, tunlichst vermieden. Man mag es kaum glauben, es muss Hirn geregnet haben. All die unpassierbaren Umlaufgitter wurden ersatzlos entfernt und man kann nun auf diesem Weg endlich Rad fahren und der Pinscher trabte fröhlich nebenher.

Kein Kaffee, kein Kuchen und der Gegenwind hatte noch ein Schippchen drauf gelegt. Bei km 70, in der Nähe von Bad Schwartau verordnete ich dem Pedalritter und dem Navigator II eine Zwangspause. Wir teilten uns den letzten Müsliriegel und eine habe Flasche Wasser. Ich streckte die Glieder auf einer Bank und stellte den Wecker auf 15 min. Solch ein Mikroschlaf wirkt wunder. Der Pinscher liegt dabei immer auf meinem Bauch und behält Fahrrad und Gepäck im Auge - ich kann also beruhigt ganz tief in Schlaf fallen, wir sind ein eingespieltes Team. 

Niendorf

Die Pause hatte Wunder gewirkt, die 20 km bis Timmendorfer Strand schüttelte ich locker aus den Beinen - lediglich die Knie schmerzten ein wenig, aber das ist eine allgemeine Liegeradfahrerkrankheit. Wir drehen eine Runde um den Brunnen auf dem Marktplatz in Timmendorf. Bäckereien und Kaffees hatten Feierabend gemacht, groß was essen passt eigentlich nicht zum Radfahren. Mir fiel der kleine Fischerhafen in Niendorf ein, hier gibt es immer Fischbrötchen und um diese Uhrzeit ist das Licht auf der Ostsee wunderschön. Fischbrötchen, Cola light - wieso bestelle ich eigentlich immer Cola light, nach 100+ km würde mir eine furchtbar gezuckerte Cola sicherlich besser tun. Der Navigator bestand auf seien Fischbrötchenanteil. "Fahrräder Schrittfahren!" befahl ein Schild auf der Strandpromenaden. Ich beschloss heute und bei Rückenwind, einen Schritt von 30 km/h. Die Ostsee tobte und am Strand und auf der Promenade waren kaum Menschen. Ich beschloss noch einem weiteren Strandstopp - der Pinscher fand Strand scheiße. Kein Bäumchen und gesandstrahlte Nase, also fuhren wir weiter. 


kein Bäumchen
Wir erklommen die Herrmannshöhe und folgten den Weg zum Brodtener Ufer. Zum ersten Mal in meinem Leben hatte ich das Bedürfnis ein Gerstenfeld zu streicheln. Es hatte das wohl satteste Grün des Jahre und der Wind blies Gerstenwellen auf uns zu. Im Hintergrund die Ostsee, ein wundervoller Anblick.

Gerste streicheln
Der Navigator schwächelte zusehends, das GP-Gerät zum Glück nicht. Das Steilufer ist seit  an vielen Stellen weiter abgerutscht, zwei Häuser sind schon letztes Jahr hinab gestürzt und der Weg wird wohl noch in diesem Jahr weiter ins Land verlegt werden müssen.


Der Strandbahnhof in Travemünde hat einen Hohen Turm, auf dem stets die Abfahrzeit des nächsten Zuges nach Lübeck angezeigt wird. So können die Fahrgäste, noch am Strand liegend, sehen, ob sie den Zug noch erreichen oder lieber einen späteren nehmen. Wir machten ein Punktlandung, hätten es aber auch sicher noch eine Stunde am Strand ausgehalten. Das ist vielleicht ein Grund noch mal ans Meer zu fahren, schließlich hat das GPS Gerät wunderbar funktioniert.

Travemünde Strandbahnhof





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